Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 20
Die FinB ist darüber hinaus befugt, die beschlagnahmten oder sonst sichergestellten Gegenstände (§§ 94, 111b ff. StPO) zu besichtigen. Hierdurch wird der FinB die Möglichkeit gegeben, ihre Beteiligungsrechte (vgl. §§ 403, 407 AO) auch im Verfahren zur Anordnung der Einziehung geltend zu machen (s. dazu § 375 Rz. 103 ff.; § 401 Rz. 11 ff.). Darüber hinaus soll nach überwiegender Ansicht die Besichtigung auch im steuerlichen Interesse erfolgen können, da nach § 76 AO für verbrauchsteuer- und abgabenpflichtige Waren eine Sachhaftung bestehe oder die Sicherstellung und Überführung in das Eigentum des Bundes gem. §§ 215, 216 AO in Betracht komme. Nach hier vertretener Ansicht folgt daraus aber kein eigenständiges Besichtigungsrecht der übrigen Steuerbehörden (s. Rz. 7).
Rz. 21
Zur Beschlagnahme und Sicherstellung s. zunächst die Ausführungen § 385 Rz. 306 ff. und das dort angegebene Schrifttum. Zu den unterschiedlichen Verfahren bei Beschlagnahme (Beweismittel) und Sicherstellung (Einziehungsgegenstände) s. die tabellarische Übersicht § 385 Rz. 306. Zur vorläufigen Sicherstellung durch Vermögensarrest s. § 385 Rz. 460 ff.
Rz. 22
Das Besichtigungsrecht bezieht sich unterschiedslos auf Beweisstücke oder Einziehungsgegenstände. Im Steuerstrafverfahren sind das vor allem verbrauchsteuerpflichtige Erzeugnisse oder zollpflichtige Waren sowie Schriftstücke, Buchführungsunterlagen und Korrespondenz etc. oder gefälschte Steuerzeichen gem. § 148 Abs. 1 Nr. 1, § 150 StGB, § 369 Abs. 1 Nr. 3 AO. Nicht nur körperliche Gegenstände, sondern auch unbewegliche Sachen (Grundstücke, einzelne Räume) fallen darunter. Soweit die Gegenstände beweglich und dem Transport zugänglich sind, könnten sie – wie die Akten – der FinB zur Besichtigung übersandt werden. Der Gesetzgeber hat dies aber nicht vorgesehen. Dabei dürften weniger Praktikabilitätserwägungen als vielmehr der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass sie im Gegensatz zu Akten – die im Regelfall rekonstruiert werden können – grds. nicht reproduzierbar sind. Durch den Verlust von derartigen Gegenständen, soweit sie als Beweismittel anzusehen sind, können Verfahren hinfällig werden.
Rz. 23
Soweit es sich um sichergestellte Gegenstände handelt, gewährt § 395 AO der FinB nur die Befugnis, sie zu besichtigen – und zwar am Ort der Aufbewahrung. Bei der Besichtigung der Augenscheinsgegenstände können Aufzeichnungen gemacht, Lichtbilder hergestellt und Sachverständige hinzugezogen werden. Ob auch Proben und Analysen genommen werden können, ist fraglich, da eine solche Interpretation über den Wortlaut der Vorschrift hinausgeht. Tonbandaufnahmen und Videoaufzeichnungen werden durch Vorspielen "besichtigt" (z.B. auch Tonaufzeichnungen von TKÜ-Maßnahmen); u.U. kann eine Kopie gefertigt werden. Die Reichweite des Einsichtsrechts in Aufzeichnungen aus einer TKÜ ist auch nach der Neuregelung zum 1.1.2018 nach wie vor heftig umstritten. Das Besichtigungsrecht befugt auch zum Betreten versiegelter Räume. Hinsichtlich der Dauer der Befugnis zur Besichtigung sowie deren Wiederholbarkeit gilt das zur Akteneinsicht Angeführte entsprechend (s. Rz. 15, 16). Zur Beendigung und Rückgabe beschlagnahmter Beweismittel s. § 385 Rz. 352 ff.