1. Allgemeines
Rz. 41
Ein Verstoß gegen die strafprozessualen Belehrungspflichten gem. § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a StPO kann zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Bei Verstößen gegen andere Belehrungspflichten, die in ihrem Gewicht dahinter zurückbleiben (z.B. keine qualifizierte Belehrung darüber, dass frühere Aussagen mangels ordnungsgemäßer Belehrung unverwertbar sind), wird über die Verwertbarkeit der Aussage nach Abwägung der Umstände des Einzelfalls entschieden.
Rz. 41.1
Diese Rechtsgrundsätze müssen auch bei einer Verletzung der im Besteuerungsverfahren geltenden Mitteilungs- und Belehrungspflichten aus § 397 Abs. 3, § 393 Abs. 1 Satz 4 AO, die ebenfalls Ausprägungen des Nemo-tenetur-Prinzips sind, Beachtung finden. Bei verzögerter Bekanntgabe der Einleitung und unterlassener Belehrung besteht ein Verwertungsverbot bzgl. der offenbarten Tatsachen (im Einzelnen strittig, s. nachstehende Nachw.). Nach Ansicht der Rspr. soll dies nur für das Strafverfahren (s. Rz. 43 f.), nicht aber für das Besteuerungsverfahren (s. Rz. 45 f.) gelten.
Rz. 42
Aufgrund der Parallelität von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren und der Schwierigkeiten, die Einleitung des Strafverfahrens zu bestimmen, ist für den Stpfl. von besonderer Bedeutung, ab wann der Prüfer einen Verdacht hegt, und damit die Frage nach dem Zeitpunkt der Mitteilung und der Belehrung. Bis dahin wird für ihn zumeist nicht erkennbar sein, wann er sich durch die Beantwortung von Fragen der Gefahr einer Selbstbelastung aussetzt.
Während einer Betriebsprüfung darf bei Vorliegen eines Tatverdachts (s. Rz. 5) die Einleitung des Strafverfahrens nicht mit dem Ziel hinausgezögert werden, unter Ausschöpfung der fortbestehenden Mitwirkungspflichten des Stpfl. den Sachverhalt auch steuerstrafrechtlich weiter aufzuklären. Ein Anhaltspunkt für einen Verdacht des Prüfers kann etwa sein, wenn sich die Fragen nicht mehr auf die (objektiven) Feststellungen zu den Besteuerungsgrundlagen dem Grunde und der Höhe nach richten, sondern nach einer Begründung für ein bestimmtes Verhalten oder bestimmte steuerliche Gestaltungen (subjektiver Tatbestand) gefragt wird. Auch Fragen zu steuerlich verjährten Zeiträumen können ein Indiz sein.
Rz. 42.1
Die nach §§ 136, 163a Abs. 4 StPO und § 393 Abs. 1 Satz 4 AO erforderliche Belehrung wird nicht bereits dadurch vollzogen, dass dem Stpfl. zu Beginn der Prüfung ein Betriebsprüfungsmerkblatt ausgehändigt wird. In dem Merkblatt wird nur abstrakt über die bei Verdacht erforderliche Einleitung informiert. Im Strafrecht ist eine Belehrung in der konkreten, auf hinreichenden Verdachtsgründen basierenden Vernehmungssituation erforderlich, die dem Beschuldigten unmissverständlich seine Rechte vor Augen führt.
2. Versehentlich unterlassene oder verzögerte Belehrung
a) Strafprozessuales Verwertungsverbot
Rz. 43
Bei einer versehentlich unterlassenen Belehrung des Stpfl. über se...