Rz. 13.9
Ob und inwieweit Tatsachen, die einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, zur Begründung eines Anfangsverdachts und für weitere Maßnahmen, etwa eine Durchsuchung, herangezogen werden dürfen, betrifft die Frage der Vorauswirkung von Verwertungsverboten und ist im Kontext der der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten zu verorten. Verfahrensfehler, die ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel zur Folge haben, begründen nicht per se eine Fernwirkung für das gesamte Strafverfahren. Die Ablehnung eines auf den Anfangsverdacht ausstrahlenden grundsätzlichen Verwertungsverbots ist dadurch gerechtfertigt, dass das Strafverfahren durch einen Verfahrensverstoß nicht zur vollständigen Lähmung kommen soll. Eine Vorauswirkung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Dabei ist eine Abwägung vorzunehmen. Auf der einen Seite ist die Schwere des Rechtsverstoßes, der zu dem Beweisverwertungsverbot führt, zu gewichten. Auf der anderen Seite gilt es, die Schwere der Tat, hinsichtlich derer ein Anfangsverdacht begründet werden soll, zu berücksichtigen. In jedem Fall aber darf eine unter Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot gewonnene Tatsache nicht zur Rechtfertigung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen herangezogen werden. Die fehlerhaft gewonnenen oder einem Verwertungsverbot unterliegenden Erkenntnisse dürfen verwertet werden, wenn sie nicht allein auf eine unzulässige Beweiserhebung gestützt werden. Dies gilt auch bei Ermittlungen und bei durch Privatpersonen beschafften Beweismitteln.
Rz. 13.10
Es besteht im Übrigen kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig ist. Anders als im anglo-amerikanischen Recht, wo entsprechende Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote der Disziplinierung der eingesetzten Beamten dienen, steht im deutschen Strafrecht die Ermittlung des Sachverhalts, die funktionstüchtigen Strafrechtspflege, mithin die effektive Verfolgung von Straftaten im Vordergrund. Zudem bestehen hinreichende anderweitige Möglichkeiten zur Disziplinierung rechtsfehlerhaft handelnder Ermittlungsbeamter.
Was sog. EncroChats betrifft, wird sich zeigen, ob das VerfG die Verwertung für zulässig erachtet. Die bisherige Rechtsprechung der OLG tendiert mehrheitlich dazu, der bisherigen Linie in vergleichbaren Fällen folgend, entsprechende Daten zumindest für die Bejahung eines Anfangsverdachts und darauf gestützte strafprozessuale Zwangsmaßnahmen zuzulassen. Es dürften die gleichen Erwägungen, wie bei dem Ankauf von "Steuer-CDs" gelten.
Rz. 13.11
Die bisherige Rspr. lehnt ein Verwertungsverbot im Falle des Ankaufs von sog. "Steuer-CDs" ab. In seinem Beschluss vom 9.11.2010 äußerte sich das BVerfG zu der Verwertung der von einem Informanten angekauften CD mit Daten Liechtensteiner Bankkunden. Die Beschwerdeführer rügten die Verletzung ihres Rechts auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren, ihres Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung i.V.m. dem Rechtsstaatprinzip und der Rechtschutzgarantie sowie die Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führt auch nach Auffassung des BVerfG nicht ohne weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Dies gilt auch für Fälle einer fehlerhaften Durchsuchung. Ein Beweisverwertungsverbot sei nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen anzunehmen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind. Der VerfGH Rh.-Pf. hält eine Zurechnung des Handelns von Informanten und damit ggf. ein Verwertungsverbot dann für möglich, wenn der Staat zukünftig verstärkt, bewusst, planvoll oder auch konkludent die Zusammenarbeit mit Privaten intensiviert und entsprechende Daten ankauft. Wird bewusst und in ständiger Übung bei der Informationsbeschaffung durch staatliche Behörden gegen Beweiserhebungsvorschriften verstoßen, liegt es nach Ansicht des VerfGH Rh.-Pf. auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht ein strafrechtliches Verwertungsverbot äußerst nahe. Es sei daher denkbar, dass zukünftig gleichsam mosaikartig eine Situation entstehen könnte, die es als gerechtfertigt erscheinen lässt, das Handeln eines privaten Informanten der staatlichen Sphäre zuzurechnen. Behörden dürfen nicht jedes auf Eigeninitiative beruhende unrechtmäßige Einwirken Dritter auf private Schutzgüter bewusst ausnutzen. Maßgebliches Kriterium soll sein, wie häufig der Ankauf entsprechender Informationen erfolgt und ob bereits weiderholt von denselben Personen Daten angekauft werden.
Auch im Hinblick auf steuerliche Auskunftsersuchen wird ein Verwertungsverbot verneint.
Rz. 13.12
Nach hier vertretener Ansicht kommt es ganz entscheidend darauf an, inwieweit der Staat an der Beschaffung entsprechender Daten bereits im Vorfeld (aktiv) mitgew...