I. Absehen von Strafverfolgung
Rz. 32
§ 398a AO enthält eine gebundene Entscheidung. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 398a AO vor, so ist das Ermittlungsverfahren für die unter § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Nr. 4 AO fallenden materiell-rechtlichen Taten zwingend einzustellen. Ein Ermessen steht den Behörden nicht zu. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 398a AO begründet ein Verfahrenshindernis, das in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO bzw. ein Freispruch im gerichtlichen Verfahren kommen nicht in Betracht. Hinsichtlich etwaiger weiterer Taten des Berichtigungsverbunds, die nicht unter § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Nr. 4 AO fallen, wird das Ermittlungsverfahren (im Fall einer wirksamen Selbstanzeige) nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das Absehen von der Strafverfolgung ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 398a AO auf Steuerstraftaten beschränkt. Die Verfolgung wegen anderer Delikte bleibt demnach unberührt.
Rz. 33
Völlig unklar ist hingegen, welchen Rechtscharakter die Regelung des § 398a AO hat. So ist ungewiss, nach welcher strafprozessualen Norm ein eingeleitetes Strafverfahren im Fall des § 398a AO eingestellt wird. Der Wortlaut des § 398a AO selbst enthält – entgegen der Einstellungsvorschrift des § 398 AO – keine ausdrückliche Einstellungsregelung. Ausweislich der Gesetzesmaterialien ist § 398a AO dem § 153a StPO nachempfunden. Eine Einstellung der Verfahren nach § 153a Abs. 1 StPO ist jedoch nicht sachgerecht, da dieser – bspw. mit der nötigen Zustimmung des für die Hauptverhandlung zuständigen Gerichts – weitere, über die des § 398a AO hinausgehende Voraussetzungen enthält. Die h.M. in der Literatur geht daher – trotz Fehlens einer ausdrücklichen Einstellungsregelung – davon aus, dass die Ermittlungsverfahren nach § 398a AO einzustellen sind. Hierzu wird auf die Gesetzesbegründung sowie die systematische Stellung hinter der Einstellungsvorschrift des § 398 AO Bezug genommen. In der Praxis erfolgt die Verfahrenseinstellung dagegen nicht selten ohne ausdrückliche Benennung einer Einstellungsnorm oder nach § 170 Abs. 2 StPO. Da die Zustimmung des Gerichts für die Einstellung nicht erforderlich ist, erfolgt diese in eigener Zuständigkeit durch die jeweilige Ermittlungsbehörde.
Rz. 34
Entsprechend der Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO werden Entscheidungen nach § 398a AO nicht in das Bundeszentralregister eingetragen.
II. Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 398a Abs. 3 AO)
Rz. 35
Zu § 398a AO a.F. wurde in Anlehnung an § 153a StPO diskutiert, ob eine Einstellung nach § 398a AO – entsprechend der Regelung des § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO – zu einem beschränkten Strafklageverbrauch führt. Dagegen wurde vorgebracht, dass in jenen Fällen, in denen sich die Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens und damit verbunden die des Strafklageverbrauchs stellt, die Voraussetzungen des § 398a AO objektiv nicht vorlagen, da es sich i.d.R. um unvollständige Teilselbstanzeigen handelte. In jenen Fällen trat die Straffreiheit damit gerade nicht nur deswegen nicht ein, weil der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO verwirklicht wurde. Im Übrigen wurde zu § 398a AO a.F. angenommen, dass der Gesetzgeber eine dem § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO entsprechende Regelung in den Wortlaut des § 398a AO a.F. aufgenommen hätte, wenn er einen Strafklageverbrauch beabsichtigt hätte. Schließlich befasste er sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens mit § 153a StPO, da § 398a AO jener Norm ausdrücklich nachempfunden ist. Demnach ging die h.M. davon aus, dass § 398a AO a.F. zu keinem Strafklageverbrauch führt.
Rz. 36
In § 398a Abs. 3 AO hat der Gesetzgeber nunmehr ausdrücklich geregelt, dass die Wiederaufnahme eines nach § 398a Abs. 1 AO abgeschlossenen Verfahrens zulässig ist, wenn die FinB erkennt, dass die Angaben im Rahmen einer Selbstanzeige unvollständig oder unrichtig waren. Dies wurde damit begründet, dass andernfalls die Gefahr bestünde, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen ist, wenn der Stpfl. keine vollständige und richtige Selbstanzeige abgegeben hätte, dies jedoch erst nach Einstellung des Verfahrens bekannt würde. Die Gesetzesbegründung lässt den Rückschluss zu, dass § 398a AO a.F. – entgegen der hierzu h.M. – z...