Rz. 1238
Besondere Bedeutung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wird zukünftig die Vernehmung mittels Videokonferenz erlangen. Über § 247a StPO i.V.m. Art. 10 EU-RhÜbK 2000 ist eine solche Vernehmung mittels Videokonferenz möglich. Die Notwendigkeit kann etwa dann bestehen, wenn es um die Vernehmung einer Vielzahl von Personen, etwa zur Frage des gewöhnlichen Aufenthalts oder der Ansässigkeit, geht.
Beispiel
Die Finanzverwaltung in A glaubt angesichts einer Wohnungsgröße von lediglich 16 qm bei einem Einkommen von 250.000 EUR im Jahr nicht, dass der deutsche Staatangehörige B als sog. Expat überwiegend in Tokyo/Japan aufhältig ist, zumal er noch über ein Zimmer im elterlichen Haus verfügt und die dortige Anschrift als Zustellungsadresse gebraucht. Zum Beweis benennt B eine Vielzahl von Zeugen mit denen er einen Großteil seiner beruflichen und freien Zeit verbringt.
Rz. 1239
Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die neue Vorschrift auch internationalen Tendenzen Rechnung tragen, auf neue Kommunikationsmittel zurückzugreifen und dabei auch die Videotechnologie einzusetzen, mit deren Hilfe Schwierigkeiten bei der Vernehmung von Auslandszeugen überwunden werden können. Erreichbar ist nach § 247a StPO nunmehr auch ein Zeuge, wenn er aus der Hauptverhandlung heraus mittels einer zeitgleichen Bild-Ton-Übertragung an einem anderen Ort vernommen werden kann. Dies gilt auch dann, wenn der Vernehmungsort im Ausland liegt, sofern eine solche Vernehmung im Wege der Rechtshilfe möglich ist und die Art ihrer Durchführung einer solchen nach § 247a StPO im Inland weitgehend entspricht. Entscheidend ist insb., dass eine unbeeinflusste Vernehmung möglich ist, bei der die Verhandlungsleitung bei dem Vorsitzenden liegt und die ungeschmälerte Ausübung der prozessualen Befugnisse aller Prozessbeteiligten gewährleistet ist.
Rz. 1240
Die bloße Aufzeichnung einer kommissarischen Vernehmung durch das Gericht des Aufenthaltsstaates des Zeugen unter Teilnahme deutscher Verfahrensbeteiligter genügt nicht den Anforderungen des § 247a StPO. Es fehlt an der Sachleitung durch den Vorsitzenden und es mangelt an interaktiven Kommunikationsmöglichkeiten.
Rz. 1241
In diese Richtung zielende Beweisanträge sollten nicht ohne Erwägung der Möglichkeiten einer Videokonferenz abgelehnt werden. Die Frage, ob nur eine Vernehmung des Zeugen vor dem erkennenden Gericht die nach Sach- und Rechtslage erforderliche Ausschöpfung des Beweismittels gewährleistet oder ob auch eine kommissarische oder audiovisuelle Vernehmung zur Sachaufklärung tauglich ist, hat das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Erwägungen müssen aber schlüssig ergeben, weshalb die kommissarische oder audiovisuelle Vernehmung zur Sachaufklärung ungeeignet und daher ohne jeden Beweiswert ist.
Rz. 1242
In keinem Fall darf es einem Angeklagten zum Nachteil gereichen, dass dem Verfahren eine Auslandstat zugrunde liegt oder die Tat jedenfalls einen starken Auslandsbezug aufweist und die Beweisführung infolgedessen im Wesentlichen auf ausländische Beweismittel zurückgreifen muss. Es gelten die oben dargestellten Grundsätze zur Vernehmung von Auslandszeugen. Dem legitimen Anliegen, sich gegen aus dem Ausland stammende und belastende Beweismittel durch die Benennung von im Ausland ansässigen Entlastungszeugen zu verteidigen, ist in der Weise Rechnung zu tragen, dass an die Ablehnung eines solchen Beweisantrags strengere Maßstäbe anzulegen sind. Dies ist auch vor dem Hintergrund konsequent, dass der Beschuldigte und der Verteidiger, wie auch Gericht und Staatsanwaltschaft vielfach die Validität ausländischer Beweismittel gar nicht überprüfen können; bspw. was die Herkunft von Steuer-CDs betrifft oder sonstige Daten von Dritten. Gleiches gilt, wenn ausländische Ermittlungsergebnisse aus dortigen Ermittlungsverfahren, etwa Zeugenaussagen, zur Grundlage inländischer Ermittlungsverfahren werden oder bestimmte Folgerungen daraus abgeleitet werden.
Rz. 1243– 1249
Einstweilen frei.