Rz. 619

[Autor/Stand] Nach § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO darf die Untersuchungshaft nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht.[2] Das BVerfG hat wiederholt darauf hingewiesen, dass

"der Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkungen ständig als Korrektiv entgegenzuhalten" ist.[3]

Das bedeutet, dass der Eingriff in die Freiheit nur hinzunehmen ist, wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden kann.[4] Vielfach wird moniert, dass Haftbefehle, nicht nur in Steuerstrafsachen, mit leichter Hand gefertigt werden[5] oder bereits unterschriftsreife Haftbefehlsentwürfe vorgelegt werden.

 

Rz. 620

[Autor/Stand] Folgende Ausführungen sind unzulässig:

"Die Anordnung der Untersuchungshaft steht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung auch nicht außer Verhältnis. Weniger einschneidende Maßnahmen (§ 116 StPO) begründen nicht die Erwartung, dass der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann."

 

Rz. 621

[Autor/Stand] In jedem Fall ist in besonderem Maße dem Umstand Rechnung zu tragen, dass nichtvorbestrafte sozial integrierte und ggf. in einem Beschäftigungsverhältnis stehende oder selbständige Ersttäter in der Regel besonders haftempfindlich sind. Vor dem Hintergrund der möglicherweise weitreichenden Folgen der Untersuchungshaft, etwa in Bezug auf die Fortführung eines Unternehmens, den möglichen Verlust des Arbeitsplatzes oder sonstiger negativer Folgen, gilt es in jedem Fall genau zu prüfen, ob die Anordnung der Untersuchungshaft verhältnismäßig ist. Als Alternative zur Untersuchungshaft kommt in geeigneten Fällen die Passentziehung gem. §§ 8, 7 Abs. 1 Nr. 1, 4 PaßG in Betracht. Dies ist bereits dann möglich, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass sich jemand dem Strafverfahren oder seinen steuerlichen Pflichten entziehen will.

[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022
[2] BVerfG v. 15.12.1965 – 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, 342 = NJW 1966, 243.
[3] BVerfG v. 28.2.1991 – 2 BvR 86/91, NJW 1991, 2821.
[4] BVerfG v. 28.2.1991 – 2 BvR 86/91, NJW 1991, 2821.
[5] Schwedhelm, BB 2010, 731 (732).
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022
[Autor/Stand] Autor: Peters, Stand: 01.10.2022

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