Rz. 12
Die in § 399 Abs. 1 AO enthaltene Regelung gilt nur für das Ermittlungsverfahren (zur allgemeinen Bedeutung des Ermittlungsverfahrens s. § 385 Rz. 61 ff.). Lediglich in diesem Verfahrensabschnitt nimmt die Finanzbehörde in den Fällen des § 386 Abs. 2 AO originär die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft wahr.
Den Beginn des Ermittlungsverfahrens markiert der aufkommende Anfangsverdacht bzgl. einer Steuerstraftat und eine daraufhin durch die Finanzbehörde ergriffene Maßnahme mit dem Ziel, gegen jemanden strafrechtlich vorzugehen (s. § 397 Rz. 17 ff.). Diesem Stadium vorgelagert sein können ebenfalls von der Finanzbehörde geführte sog. Vorermittlungen zur Klärung, ob überhaupt ein Anfangsverdacht besteht (s. hierzu § 397 Rz. 6 f.).
Rz. 13
Das Ende findet das Ermittlungsverfahren durch
Zu den verschiedenen Möglichkeiten des Verfahrensabschlusses s. ausf. § 385 Rz. 551 ff.
Mit dem Abschluss des Ermittlungsverfahrens enden grds. auch die der Finanzbehörde durch § 399 Abs. 1 AO eingeräumten Befugnisse. Die Rechts- und Pflichtenstellung der Finanzbehörde in den folgenden Verfahrensabschnitten bestimmt sich sodann nach den §§ 406, 407 AO.
Eine abweichende Regelung sieht § 406 Abs. 1 AO für den Fall vor, dass die Finanzbehörde einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls stellt. In diesem Fall nimmt die Finanzbehörde solange die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft wahr, wie nicht nach § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO Hauptverhandlung anberaumt oder Einspruch gegen den Strafbefehl (§ 410 Abs. 1 StPO) erhoben wird. Praktisch erfolgt jedoch eine Zuleitung des Strafbefehls über die Staatsanwaltschaft an das Gericht, die auch ein sog. Js- Aktenzeichen vergibt. Die Staatsanwaltschaft nimmt hierbei i.d.R. keine eigene Prüfung der Sach- und Rechtslage vor.
Rz. 14
Die originäre Ermittlungskompetenz fällt der Finanzbehörde nur zu, wenn die Ermittlungen ausschließlich eine Steuerstraftat oder eine Analog- bzw. Begleittat zum Gegenstand haben (s. Rz. 2). Die Vorschrift des § 399 Abs. 1 AO findet keine Anwendung (mehr), wenn die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden bzw. diese die Ermittlungen nach § 386 Abs. 4 Satz 2 AO (s. Rz. 17) an sich zieht. In diesem Fall sind die §§ 402, 403 AO einschlägig und nimmt die Finanzbehörde dieselben Rechte und Pflichten wie die Polizeibehörden sowie die (Eil-)Befugnisse nach § 399 Abs. 2 Satz 2 AO wahr. Ein Verwertungsverbot bei Kompetenzüberschreitungen besteht nicht (§ 386 Rz. 183 ff.).
Rz. 15
Auch beim Zusammentreffen einer Steuerstraftat mit einem Allgemeindelikt verliert die Finanzbehörde ihre Stellung, behält aber die unselbständige Ermittlungsfunktion nach § 386 Abs. 1 Satz 1, § 402 Abs. 1 AO (s. § 386 Rz. 52 ff., 90 f.). In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob und inwieweit der Finanzbehörde eine Ermittlungskompetenz zusteht bzw. die Staatsanwaltschaft die Finanzbehörde mit der Durchführung der Ermittlungen beauftragen kann, wenn die Steuerstraftat materiell oder prozessual tateinheitlich mit einem Allgemeindelikt (z.B. Urkundenfälschung nach § 267 StGB) zusammentrifft. Die Rspr. hält dies für grds. zulässig, doch dürfte sich die Grenze daraus ergeben, dass die Finanzbehörde nur zur Aufklärung und Ahndung einer Steuerstraftat befugt und auch nur hierzu fachlich in der Lage ist (s. § 386 Rz. 92 ff. und 183; § 402 Rz. 7).