Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 76
Ob die Geldbuße verhängt wird, steht im Ermessen ("kann") der zuständigen Behörde, d.h. im Bußgeldverfahren der FinB = BuStra oder im Strafverfahren des Gerichts (s. Rz. 55).
Rz. 77
Die Sanktionsmöglichkeiten gegen juristische Personen und Personenvereinigungen sind infolge der jüngsten Änderungen der § 30 und § 130 OWiG erheblich verschärft worden.
Rz. 77.1
Seit dem 30.6.2013 hat sich das Höchstmaß der Verbandsgeldbuße gegenüber der vorherigen Fassung verzehnfacht. Bei vorsätzlichen (z.B. Steuer-)Straftaten als Vortaten beträgt die Geldbuße bis zu 10 Mio. EUR (§ 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 OWiG) und bei fahrlässigen Straftaten bis zu 5 Mio. EUR (§ 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG).
Rz. 77.2
Nach § 30 Abs. 2 Satz 2 OWiG bestimmt sich im Fall einer Ordnungswidrigkeit als Anknüpfungstat das Höchstmaß der Verbandsgeldbuße nach dem für die Ordnungswidrigkeit angedrohten Höchstmaß der Geldbuße (z.B. bei § 26a Abs. 1 UStG bis zu 30.000 EUR). Gemäß § 30 Abs. 2 Satz 3 OWiG verzehnfacht sich jedoch bei gesetzlichen Verweisungen auf ihn die im jeweiligen Ordnungswidrigkeitentatbestand benannte Geldbuße. Das ist durch einen entsprechenden Verweis in § 130 Abs. 3 Satz 2 OWiG geschehen, so dass auch Aufsichtspflichtverletzungen im Unternehmen, die ursächlich für unternehmensbezogene Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten sind, mit einer Verbandsgeldbuße bis zu 10 Mio. EUR geahndet werden können. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten dadurch insbesondere das Fehlen oder bestehende Mängel im Compliance-System eines Unternehmens geahndet werden (s. eing. § 377 Rz. 405 ff.).
Rz. 78
Bei der konkreten Zumessung der Geldbuße ist der wirtschaftliche Vorteil, den der Verband aus der Straftat gezogen hat, zu berücksichtigen, so dass dieser Bußgeldrahmen sogar noch überschritten werden kann (§ 30 Abs. 3 i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG, s. zu dieser Gewinnabschöpfung nach dem Nettoprinzip § 377 Rz. 85 ff., 109 ff., 125; zur steuerlichen Relevanz s. Rz. 99 ff.).
Das hat speziell in den infolge der Steuerdaten-CDs eingeleiteten Banken-Verfahren wegen Beteiligung an Steuerhinterziehungen von Kunden zu exorbitanten Geldbußen im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich geführt.
Rz. 78.1
Gemäß § 30 Abs. 2a Satz 3 OWiG kann eine Verbandsgeldbuße auch gegen den Rechtsnachfolger eines betroffenen Verbandes verhängt werden (s. § 377 Rz. 137). Damit soll verhindert werden, dass sich Unternehmen durch einfache gesellschaftsrechtliche Veränderungen einer Geldbuße entziehen.
Rz. 79
Neben der Geldbuße ist die Einziehung gem. § 73 StGB oder § 73a StGB oder § 29a OWiG wegen derselben Tat ausgeschlossen (§ 30 Abs. 5 OWiG). Eine Vorteilsabschöpfung gem. § 29a Abs. 2 OWiG kann jedoch u.U. günstiger sein (s. Rz. 101, 102).
Rz. 79.1
Nach Abs. 6 des § 30 OWiG kann mit Erlass des Bußgeldbescheids zusätzlich durch ein Gericht ein Vermögensarrest zur Sicherung der Geldbuße angeordnet werden (§ 111e Abs. 2 StPO), selbst wenn der Arrestanspruch nur durch den Bußgeldbescheid nachgewiesen ist. Im Ergebnis ersetzt der durch eine Verwaltungsbehörde (hier BuStra) erlassene Bußgeldbescheid damit die durch ein Urteil erfolgende gerichtliche Prüfung eines Arrestanspruchs und verlagert so die Prüfungskompetenz von den Gerichten auf die Verwaltungsbehörden.