aa) Steuerstraftaten oder Steuerordnungswidrigkeiten
Rz. 145
Die Erforschung von Steuerstraftaten und -ordnungswidrigkeiten (und die Ermittlung der damit zusammenhängenden Besteuerungsgrundlagen, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) ist die "originäre" Fahndungstätigkeit, die Hauptaufgabe der Steufa. Die Tätigkeit setzt voraus, dass es um die Erforschung von Steuerstraftaten oder Steuerordnungswidrigkeiten geht.
Rz. 146
Steuerstraftaten sind – ausschließlich – die in § 369 Abs. 1 AO bezeichneten Straftaten (Steuerhinterziehung, Bannbruch, Steuerzeichenfälschung und Begünstigung von Steuerstraftaten sowie die Teilnahme daran; Nr. 18 AStBV (St) 2022 [s. AStBV Rz. 18]; s. dazu § 369 Rz. 15 f.).
Rz. 147
Daneben erstreckt sich die Ermittlungskompetenz der Steuerfahndung auch auf nichtsteuerliche Delikte i.S.d. § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO (Begleitdelikte; § 386 Rz. 72 f.) und § 385 Abs. 2 AO (gleichgestellte andere Straftaten; Nr. 19 AStBV (St) 2022 [s. AStBV Rz. 19]; § 385 Rz. 14 f.) und wegen ihres Sachzusammenhangs zum Steuerstrafrecht aufgrund besonderer gesetzlicher Verweisung auf sog. Analogtaten wie Prämien- und Zulagenverstöße sowie Subventionsbetrug bei bestimmten Investitionszulagen (vgl. § 386 Rz. 55 f.).
Rz. 148
Steuerordnungswidrigkeiten sind solche Zuwiderhandlungen, die nach den Steuergesetzen mit einer Geldbuße geahndet werden (§ 377 Abs. 1 AO; s. § 377 Rz. 4 ff.), vor allem die leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO), die in §§ 379–382 AO bezeichneten Bußgeldtaten sowie Ordnungswidrigkeiten nach dem StBerG (s. § 377 Rz. 204 ff.).
bb) Steuerstraftaten in Zusammenhang mit Allgemeinstraftaten
Rz. 149
Bei der vorstehend umrissenen sachlichen Zuständigkeit verbleibt es grds. auch, wenn neben der in Rede stehenden Steuerstraftat bzw. -ordnungswidrigkeit eine andere Straftat nicht-steuerlicher Art zu erforschen ist. Es findet keine Zuständigkeitserweiterung "durch die Hintertür" statt (s. dazu eingehend § 386 Rz. 89 ff.). Demnach geht in Fällen der Konkurrenz (§§ 52, 53 StGB) von Steuerdelikten mit Allgemeindelikten die Ermittlungszuständigkeit auf die StA über. Stößt die Fahndung bei ihren Ermittlungen auch auf konkurrierende nichtsteuerliche Delikte, hat sie die Akten der StA vorzulegen (vgl. auch Nr. 21 AStBV (St) 2022 [s. AStBV Rz. 21] sowie § 386 Rz. 89 f.). Der StA bleibt es unbenommen, die Fahndungsbeamten als ihre Ermittlungspersonen mit Ermittlungstätigkeiten der steuerstrafrechtlichen Tatseite zu beauftragen (§ 404 Satz 2 AO i.V.m. § 161 StPO).
Rz. 150
Nach überwiegender Ansicht von Rspr. und Literatur ist dagegen eine Erweiterung der Ermittlungskompetenz der Steuer- und Zollfahndungsdienste auf tateinheitlich oder prozessual einheitlich mit den Steuerdelikten zusammentreffende Allgemeinstraftaten zulässig (zur Kritik an dieser Rspr. s. § 386 Rz. 94 ff.).
Rz. 151
Sofern Tatmehrheit zwischen einer Steuerstraftat und einer Nicht-Steuerstraftat besteht, kann die Fahndung die Ermittlung der Steuerstraftat durchführen.
cc) Rechtsfragen beim Anfangsverdacht und das Legalitätsprinzip beim Verdacht einer Steuerstraftat
Rz. 152
Zu einer auf Erforschung von Steuerstraftaten und -ordnungswidrigkeiten gerichteten Tätigkeit darf es nur kommen, wenn "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" (vgl. § 152 Abs. 2 StPO) für das Vorliegen einer Steuerstraftat i.S.v. § 369 Abs. 1 AO gegeben sind, mithin ein sog. Anfangsverdacht besteht (s. ausf. § 397 Rz. 5).
Rz. 153
Bloße Vermutungen oder auf allgemeine Erfahrungen gestützte Hypothesen reichen auf keinen Fall aus (z.B. die Annahme, bei Prostituierten bestehe allgemein der Verdacht der Steuerhinterziehung, ein einmal nicht versteuertes "Sonderhonorar" wird auch in anderen Zeiträumen empfangen oder "Provisionen" werden als Bestechungsgelder verbucht). Ansonsten würde ohne konkrete Anhaltspunkte eine Suche nach strafbaren Handlungen stattfinden. Ebenso wenig genügt die bloße Möglichkeit, ein gesetzlich zulässiger Betrieb könnte von Straftätern missbraucht werden, vielmehr müssen "Verdachtsmomente für den konkreten Missbrauch" vorlie...