Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 46
Die bereits an anderer Stelle (s. § 385 Rz. 42 ff., 1315 ff.) dargestellten Grundsätze der Sachentscheidungsvoraussetzungen (Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse) gelten entsprechend auch im Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten.
Besonderheiten im Bußgeldverfahren bestehen aber z.B. hinsichtlich der Immunität von Abgeordneten (Art. 46 Abs. 2 GG und die entsprechenden Vorschriften der Länderverfassungen). Nach h.M. ist die Immunität von Abgeordneten kein Verfolgungshindernis für das Bußgeldverfahren, da sich die Immunitätsvorschriften nur auf Kriminalstrafen beziehen sollen.
Rz. 47
Bei dem Verfahrenshindernis der rechtskräftigen Entscheidung ist zu beachten, dass die als Steuerordnungswidrigkeit durch Bußgeldbescheid oder durch Urteil geahndete Tat nach hier vertretener Auffassung nach Rechtskraft nicht mehr als Steuerstraftat verfolgt werden kann (s. näher Rz. 134.1, 135).
Rz. 47.1
Ein besonderes Verfahrenshindernis im Bußgeldverfahren ist die Erhebung eines Verwarnungsgelds (§ 56 Abs. 4 OWiG), das auch im Steuerordnungswidrigkeitenrecht zum Tragen kommen kann.
So werden insb. bei der sog. Kassen-Nachschau (§ 146b AO) Betriebsprüfer mit Bediensteten der Steufa eingesetzt und – sofern bei festgestellten Kassenmängeln kein strafrechtlicher Anfangsverdacht vorliegt – von der Steufa im Auftrag der BuStra des FA eine Verwarnung mit Verwarnungsgeld nach § 56 OWiG (5–55 EUR) ausgesprochen, wenn von einer Ordnungswidrigkeit insbesondere nach § 379 Abs. 1 Nr. 3–6 AO, § 146a AO ausgegangen wird. Dabei hält der Steuerfahnder ein entsprechendes Formular vorrätig, das er im Auftrag der BuStra dem Steuerpflichtigen ausgefüllt aushändigt.
Lässt sich der Betroffene darauf ein, hat dies den Vorteil, dass die Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann (§ 56 Abs. 4 OWiG). Sie kann jedoch – so die h.M. (a.A. s. hier Rz. 134.1, 135) – noch als Straftat verfolgt werden, sollte etwa die BuStra später den von der Steufa festgestellten Sachverhalt anders würdigen, zumal im Verwarnungsverfahren der Sachverhalt nur sehr summarisch ermittelt bzw. geprüft wird. So kann die FinB bei der Feststellung späterer Verstöße hinsichtlich der Kassenführung beim Steuerpflichtigen u.U. vom Vorliegen zumindest bedingt vorsätzlichen Verhaltens ausgehen, weil er sein pflichtwidriges Verhalten nicht abgestellt hat.
Im Übrigen hält mit guten Gründen eine Ansicht die Steufa gar nicht für den Erlass entsprechender Verwarnungen für zuständig. Daher hätte in einem gerichtlichen Verfahren gegen die Verwarnung eine Einstellung nach § 206a StPO zu erfolgen.
Rz. 47.2
Für das Bußgeldverfahren gegen Rechtsanwälte und Angehörige steuerberatender Berufe verlangt zudem § 411 AO als spezielle Verfahrensvoraussetzung ein berufsständisches Vorschaltverfahren.
Rz. 47.3
Im Übrigen gelten die allgemeinen Verfahrenshindernisse, wie z.B. Ermittlungen außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets (s. auch § 377 Rz. 46), verdeckte Ermittlungen und rechtsstaatswidrige Tatprovokation (s. § 385 Rz. 43, 446; § 393 Rz. 123, 158 ff.), überlange Verfahrensdauer (str., s. § 385 Rz. 1373 ff.) und Tod des Betroffenen auch im Bußgeldverfahren.