Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 60
Im Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten ist eine förmliche Vernehmung des Betroffenen nicht zwingend vorgeschrieben. Doch folgt aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (s. § 385 Rz. 147), dass dem Betroffenen vor Erlass eines Bußgeldbescheids Gelegenheit gegeben werden muss, sich zu der Beschuldigung zu äußern (§ 55 Abs. 1 OWiG, § 163a Abs. 1 StPO). Eine Anhörung ist dagegen nicht erforderlich, wenn das Verfahren eingestellt wird oder ein Verwarnungsgeld erhoben wird (insoweit reicht das Einverständnis des Betroffenen aus). Eine besondere Form der Anhörung ist nicht vorgeschrieben. Die Äußerung darf sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen. Im Regelfall werden die Verfolgungsbehörden allerdings auf eine protokollarische Vernehmung des Betroffenen nicht verzichten können, da nur so der Sachverhalt einer Steuerordnungswidrigkeit aufgeklärt werden kann (vgl. § 168b Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1, 2 OWiG). Grundsätzlich zur Vernehmung s. § 385 Rz. 195 ff., 668 ff.
Rz. 61
Wird der Betroffene von der Verfolgungsbehörde vernommen, so ist ihm gem. § 136 Abs. 1, § 163a Abs. 3 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG zu Beginn mitzuteilen, welcher Ordnungswidrigkeit er verdächtigt wird. Ebenso wie im Strafverfahren ist er über sein Schweigerecht zu belehren, nicht aber über sein Recht zur Verteidigungskonsultation und zur Stellung von Beweisanträgen (§ 55 Abs. 2 OWiG).
Trotz § 55 Abs. 2 OWiG empfiehlt es sich, bei der Ermittlung schwieriger Fälle, z.B. wegen leichtfertiger Steuerverkürzung, den Betroffenen auf sein Recht hinzuweisen, auch schon vor seiner Anhörung oder Vernehmung einen Verteidiger zu befragen. Auf diese Weise werden die Rechte des Betroffenen bei der Vernehmung auch dann gewahrt, wenn ihm im weiteren Verlauf des Verfahrens eine vorsätzliche Steuerhinterziehung zum Vorwurf gemacht werden sollte.
Rz. 61.1
Zum Recht des Betroffenen auf einen Verteidiger s. Rz. 45; § 385 Rz. 152 ff.; § 392 Rz. 1. Der Verteidiger im Bußgeldverfahren hat insb. das Recht auf Akteneinsicht sowie ein Anwesenheitsrecht bei Vernehmungen durch die FinB, also der BuStra, deren Termin ihm mitgeteilt wird (§ 410 Abs. 1 AO, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 147 StPO bzw. i.V.m. § 163a Abs. 3 Satz 2, § 168c Abs. 1, 5 StPO). Der Verteidiger hat nach neuem Recht seit dem 5.9.2017 auch ein Teilnahmerecht an einer Beschuldigtenvernehmung bei der Polizei, der Steufa und dem ZFA (§ 410 Abs. 1 AO, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 168c Abs. 1 StPO, § 404 Satz 1 AO). Er darf auch hier nach der Vernehmung Erklärungen abgeben und/oder Fragen an den Beschuldigten stellen.
Rz. 61.2
Bestellt die FinB wegen der schwierigen Sach- und Rechtslage für den Betroffenen einen (Pflicht-)Verteidiger (§ 60 OWiG, s. Rz. 45), so gilt diese Bestellung nur für das Ermittlungsverfahren, und zwar auch nach Übernahme der Sache durch die StA. Für das sich evtl. anschließende gerichtliche Verfahren entfaltet diese Entscheidung keine Wirkung.
Rz. 62
Der Betroffene ist – wie im Strafverfahren – verpflichtet, auf Ladung vor der BuStra (StA) zu erscheinen (§ 410 Abs. 1 AO, § 46 Abs. 1 und 2 OWiG, § 163a Abs. 3 Satz 1 StPO), braucht aber nicht auszusagen (s. Rz. 60). Die auch hier zulässige zwangsweise Vorführung bleibt im Bußgeldverfahren ausschließlich dem Richter vorbehalten (§ 163a Abs. 3 Satz 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 5 OWiG). Bei der Steuer- und Zollfahndung besteht hingegen keine Erscheinenspflicht (s. auch § 404 Rz. 101, 173; § 385 Rz. 197).