Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
1. Zuständigkeit des AG
Rz. 97
Zur Entscheidung über den Einspruch ist das AG (Amtsrichter als Einzelrichter) sachlich zuständig (§ 68 Abs. 1 OWiG). Wie im Steuerstrafverfahren gilt die Konzentrationsvorschrift des § 391 AO, nach der grds. das AG örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk das LG seinen Sitz hat (Näheres s. Rz. 24 ff.).
2. Prüfung der Zulässigkeit
Rz. 98
Das AG, an das die StA die Akten weiterleitet, hat vor Eintritt in die Hauptverhandlung zu prüfen, ob der Einspruch rechtzeitig und formgerecht eingelegt worden ist. Ist dies nicht der Fall, wird der Einspruch durch Beschluss als unzulässig verworfen (§ 70 Abs. 1 OWiG). Dagegen kann der Betroffene die sofortige Beschwerde einlegen (§ 70 Abs. 2 OWiG), über die das LG (Kammer für Bußgeldsachen) unanfechtbar entscheidet (§ 46 Abs. 1, 7 OWiG, § 73 Abs. 1 GVG, § 310 Abs. 2 StPO). Bejaht das AG die Zulässigkeit des Einspruchs, so ist damit das Verfahren in das gerichtliche Hauptverfahren übergeleitet.
3. Hauptverfahren
a) Allgemeines
Rz. 99
Das Verfahren nach wirksamer Einlegung des Einspruchs richtet sich – soweit im OWiG nichts anderes bestimmt ist – nach den Vorschriften der StPO, die nach dem zulässigen Einspruch gegen einen Strafbefehl gelten (§ 71 OWiG, §§ 411, 412 StPO). Insoweit kann auf die Ausführungen bei § 400 Rz. 156 ff. verwiesen werden. Das OWiG enthält daneben in den §§ 73–75, 77 und 78 OWiG Sonderregeln, die dem Zweck dienen, das gerichtliche Hauptverfahren in Bußgeldsachen gegenüber dem Strafbefehlsverfahren noch weiter zu vereinfachen.
Rz. 100
Gegenüber dem Strafbefehlsverfahren (abgesehen von § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO) weist das Hauptverfahren bei Ordnungswidrigkeiten allerdings die Besonderheit auf, dass eine Entscheidung nicht nur durch Urteil aufgrund einer (mündlichen) Hauptverhandlung (s. Rz. 101 ff.), sondern auch durch Beschluss im schriftlichen Verfahren (§ 72 OWiG) erfolgen kann. Im Regelfall soll das Gericht jedoch aufgrund einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da in ihr sichere Feststellungen über den Sachverhalt getroffen werden und die Sache erfahrungsgemäß schneller zum Abschluss kommt als im schriftlichen Verfahren.
Grundlage des Verfahrens ist der Bußgeldbescheid, aber nicht im Sinne einer nachprüfbaren Entscheidung, sondern im Sinne einer Beschuldigung, die den Untersuchungsgegenstand der Person und der Sache nach begrenzt (s. Rz. 74).
b) Hauptverhandlung
aa) Verweis auf die StPO
Rz. 101
Für die Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter gelten die Bestimmungen der StPO über das gerichtliche Verfahren, insb. über die Hauptverhandlung, entsprechend (§§ 71, 46 Abs. 1 OWiG, § 410 Abs. 1 StPO; s. § 385 Rz. 647 ff.).
bb) Vorbereitung
Rz. 102
Von den Vorschriften der StPO über die Vorbereitung der Hauptverhandlung (§§ 213 ff. StPO) ist § 215 StPO (Zustellung des Eröffnungsbeschlusses) unanwendbar, da es im Bußgeldverfahren keinen Eröffnungsbeschluss gibt. Außerdem wird § 216 StPO (Ladung des Angeklagten) durch die im Folgenden näher zu erörternden §§ 73, 74 OWiG modifiziert.
cc) Äußerer Gang
Rz. 103
Der äußere Gang der Hauptverhandlung in Bußgeldsachen entspricht weitgehend dem des Strafverfahrens (§ 243 StPO), doch sind die Besonderheiten des Ordnungswidrigkeitenrechts zu berücksichtigen. So wird in der Hauptverhandlung nicht der Anklagesatz, sondern die in dem Bußgeldbescheid enthaltene Beschuldigung vom Staatsanwalt oder – bei dessen Abwesenheit – vom Richter verlesen.
dd) Anwesenheit des Betroffenen
Rz. 104
Der Betroffene ist grds. verpflichtet, in der Hauptverhandlung zu erscheinen (§ 73 Abs. 1 OWiG). Das Gericht entbindet ihn auf Antrag vom Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, nicht auszusagen und seine Anwesenheit zur Aufklärung des Sachverhalts nicht erforderlich ist (vgl. § 73 Abs. 2 OWiG).
Rz. 105
Hat das Gericht den Betroffenen von der Pflicht zum Erscheinen entbunden, so kann er sich durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen (§ 73 Abs. 3 OWiG).
ee) Verfahren bei Abwesenheit des Betroffenen
Rz. 106
Die Hauptverhandlung wird in Abwesenheit des Betroffenen geführt, wenn er nicht erschienen ist oder vom Erscheinen entbunden war (§ 74 Abs. 1 OWiG). Frühere Vernehmungen oder schriftliche Erklärungen des Betroffenen werden durch Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts oder durch Verlesung in die Verhandlung eingeführt.
Bleibt der nicht vom ...