Dr. Christine Susanne Rabe
Neben der Frage, wie sich die Beteiligten in einem Konflikt möglicherweise verhalten, ist für ein gutes Konfliktmanagement auch relevant, was eigentlich der Ausgangspunkt für den Konflikt ist.
Konfliktart als weiteres relevantes Kriterium
Auch die Konfliktart kann Einfluss auf die Art der Konfliktklärung haben!
In der Literatur finden sich verschiedene Kategorisierungsversuche zu den Konfliktarten. Die nachstehenden Ausführungen sollen dazu einen ersten Überblick geben.
Konfliktarten
- Informations- oder Sachkonflikte
- Ziel- oder Interessenkonflikte
- Struktur- und Verteilungskonflikte
- Beziehungskonflikte
- Wertekonflikte
Die Unterscheidung ist dabei nicht trennscharf im Sinne eines entweder/oder Prinzips. Ein Konflikt kann z. B. sowohl Elemente eines Beziehungs- als auch eines Zielkonfliktes haben. Streiten etwa zwei Geschwister, die ein Unternehmen von ihren Eltern geerbt haben, um die künftige Ausrichtung desselben, ist dieser Konflikt vermutlich sowohl ein Ziel- als auch Beziehungskonflikt. Die Kategorisierung soll nur dabei helfen, Arbeitshypothesen zu entwickeln, welche Aspekte bei der konkreten Konfliktbearbeitung beachtet werden sollten.
4.1 Informations- oder Sachkonflikte
Bei Informations- oder Sachkonflikten geht es oft um Zahlen, Daten und Fakten zu konkreten Situationen. Die Konfliktparteien haben nicht den gleichen Informations- oder Sachstand oder bewerten die vorliegenden Informationen aus ihrer individuellen Perspektive sehr unterschiedlich. Solche Konflikte lassen sich im Regelfall recht leicht auflösen, indem durch Spiegeln der jeweiligen Sichtweise die Unterschiede aufgezeigt werden und ein Austausch darüber erfolgen kann.
Unterschiedliche Wertgutachten
Im Rahmen einer Unternehmensbewertung erstellt der Wirtschaftsprüfer W ein Wertgutachten. Person A sieht das Gutachten im Gegensatz zu Person B als fehlerhaft an. Hier wird die vorliegende Information – das Wertgutachten – unterschiedlich bewertet.
Liegt Person A ein Wertgutachten aus dem Jahr 2022 vor, Person B hingegen ein neues Wertgutachten aus dem Jahr 2024, entsteht der Konflikt dadurch, dass die Personen von einem unterschiedlichen Sachstand ausgehen.
4.2 Ziel – oder Interessenkonflikte
Ziel- oder Interessenkonflikte zeichnen sich dadurch aus, dass die Beteiligten Konfliktparteien unterschiedliche Motive verfolgen und voneinander abweichende Ergebnisse erzielen wollen. Ansatzpunkt für eine nachhaltige Lösung bei Ziel- oder Interessenkonflikten ist die Frage, ob es Möglichkeiten gibt, die die wechselseitigen Ziele und Interessen integrieren.
Liquidität versus Vermeidung von Fremdinvestoren
Person A und Person B streiten darüber, ob Unternehmensanteile an einen Investor verkauft werden sollen oder nicht. Während Person A über den Verkauf von Unternehmensanteilen an den Investor Liquidität für das Unternehmen schaffen will, spricht sich Person B gegen einen Verkauf von Unternehmensanteilen aus, um eine "Zersplitterung" des Unternehmens zu vermeiden.
Dem Motiv von Person A – Liquidität des Unternehmens – steht das Motiv von Person B – keine Fremdinvestoren im Unternehmen – gegenüber.
Als Lösungsansatz wäre hier zu prüfen, ob Liquidität auch ohne einen Verkauf von Unternehmensanteilen, z. B. durch Kreditaufnahme, geschaffen werden könnte.
4.3 Struktur- und Verteilungskonflikte
Ist die Nachfrage nach einer begrenzten Ressource größer als das Angebot, kommt es zu Verteilungskonflikten. In der Praxis werden derartige Konflikte oft über den Preis geregelt. Vermutlich jeder kennt die Feststellung "Angebot und Nachfrage regeln den Preis". Wird über den Preis verhandelt, geschieht dies oft mittels distributiver Verhandlungstechniken. Was der eine verliert, gewinnt der andere. Nachhaltige Lösungen können gefunden werden, wenn es gelingt, durch integrative Verhandlungstechniken Lösungsräume zu erweitern oder Verteilungskriterien in Bezug auf die begrenzte Ressource auszuhandeln.
Gerechte Gewinnverteilung
Die Gesellschafter A, B und C einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts streiten über die Gewinnverteilung. Gesellschafter A und B berufen sich auf die Vereinbarung im Gesellschaftervertrag. Gesellschafter C empfindet die Verteilung inzwischen als ungerecht, da sich sein Workload für die GbR im Vergleich zur Anfangszeit stark erhöht hat, während sich Gesellschafter B etwas zurückgezogen hat. Es ist ein Verteilungskonflikt entstanden.
Wenn A und B verhindern wollen, dass C ggf. den Gesellschaftervertrag kündigt, werden sie sich mit C zusammensetzen müssen, um Verteilungskriterien zu entwickeln, anhand derer der Gewinn der Gesellschaft so verteilt werden kann, dass die Lösung von allen Gesellschaftern als gerecht empfunden wird.
4.4 Beziehungskonflikte
Bei Beziehungskonflikten geht es gerade nicht um Zahl...