Leitsatz
Der auf Organisationsmängel zurückzuführende, um eineinviertel Stunden verzögerte Beginn einer Klausur im Rahmen der Steuerberaterprüfung beeinträchtigt die Kandidaten nicht, wenn die Prüfungsbehörden die Bearbeitungsdauer um 15 Minuten verlängern. Eine allgemein mögliche, verzögerungsbedingte Beeinträchtigung der Konzentrations- und Leistungsfähigkeit löst keine Rechtswidrigkeit des Prüfungsbescheids aus, in den die Bewertung der betroffenen Klausur mit der Note 5,0 eingeflossen ist.
Sachverhalt
Strittig ist die ordnungsgemäße Durchführung einer Klausur bei der Steuerberaterprüfung 2007. Die Klausur "Verfahrensrecht" sollte um 9.00 Uhr beginnen, verzögerte sich aber um mehr als eine Stunde, da nicht für alle Kandidaten Klausuren kopiert worden waren. Bis zum Beginn der Prüfung durften die Kandidaten die Klausur nicht einsehen, konnten jedoch den Prüfungsraum verlassen. Wegen mit dem verzögerten Beginn verbundener eventueller Nachteile wurde die Bearbeitungszeit für die Klausur um 15 Minuten verlängert.
Der Kläger legte die Prüfung mit der Gesamtnote 4,66, die Klausur "Verfahrensrecht" mit der Note 5,0 ab. Er wendet ein, die Festsetzung der Gesamtnote sei insoweit rechtswidrig, als darin die Prüfungsleistung in der Klausur "Verfahrensrecht" mit 5,0 eingegangen sei. Die Rechtswidrigkeit ergebe sich daraus, dass
- die Geheimhaltungspflicht verletzt und gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstoßen worden sei, da ein Teil der Prüflinge die Klausuren einsehen und besprechen konnte;
- das sukzessive Austeilen der Klausuren dem Geheimhaltungsgebot widerspreche;
- ein Vollzugsdefizit eingetreten sei, da die Aufsichtsführenden nicht kontrollieren konnten, ob die Prüflinge sich nicht unerlaubter Hilfsmittel bedienten;
- der um 20 % der Bearbeitungszeit verzögerte Prüfungsbeginn den Kläger stark verunsichert und seine Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt haben könne.
Entscheidung
Die Klage ist unter allen angeführten Aspekten unbegründet und abzuweisen.
Auch wenn der verzögerte Prüfungsbeginn die Prüflinge in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt haben sollte, ist dieser Verfahrensfehler durch die Verlängerung der Bearbeitungszeit um 15 Minuten geheilt worden; die gewährte Verlängerung der Bearbeitungszeit ist ausreichend. Die Dauer der Verlängerung hängt von der Art und Intensität der Beeinträchtigung ab. Diese war hier eher gering, denn die Konzentration der Kandidaten wurde nicht während der Bearbeitung gestört. Die möglicherweise beeinträchtigte Konzentrationsfähigkeit wird sich bei durchschnittlichen Kandidaten nach Bearbeitungsbeginn wieder auf das individuelle Niveau einpendeln. Für eine geringfügige Beeinträchtigung spricht auch, dass die Kandidaten während der Wartezeit den Prüfungsraum verlassen konnten.
Der Grundsatz der Chancengleichheit verlangt, dass die Prüflinge Gelegenheit haben, ihre Prüfung unter gleichartigen Bedingungen zu absolvieren. Er wird verletzt, wenn das Prüfungsverfahren zur Folge haben kann, dass das Leistungsvermögen des Prüflings konkret beeinträchtigt und er damit gegenüber anderen Prüflingen in vergleichbarer Prüfungssituation benachteiligt wird. Etwaige Täuschungshandlungen anderer Teilnehmer infolge mangelhafter Prüfungsorganisation haben auf die Chancengleichheit des Prüflings keinen Einfluss, solange sein eigenes Prüfungsverfahren korrekt verläuft. Das Letzteres nicht der Fall war, wurde nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Der Kläger trägt insoweit nur vor, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass er bei ordnungsgemäßem Prüfungsablauf ein besseres Ergebnis erzielt hätte. Dies werde daraus deutlich, dass er die von ihm zuerst bearbeiteten Teile Verfahrensrecht und Erbschaftsteuer isoliert betrachtet bestanden habe. Seine Leistung im zuletzt bearbeiteten Aufgabenteil Umsatzsteuer falle dagegen deutlich ab, weil er infolge der Verzögerung nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich zu konzentrieren und ein seiner normalen Leistungsfähigkeit entsprechendes Prüfungsergebnis zu erzielen. Hierbei handelt es laut Sicht des FG aber nur um einen allgemeinen Konzentrationsabfall zum Ende der Bearbeitungszeit. Selbst wenn dieser auf dem verzögerten Bearbeitungsbeginn beruhen sollte, so wäre dies mit der fünfzehnminütigen Schreibverlängerung ausgeglichen.
Hinweis
Angesichts hoher Durchfallquoten bei der Steuerberaterprüfung verwundert es nicht, dass immer wieder Rechtsmittel gegen die Prüfungsbescheide eingelegt werden - in den seltensten Fällen aber mit Erfolg. Die vorliegende Klage scheiterte zum einen daran, dass der Kläger nicht darlegen konnte, aufgrund des verzögerten Prüfungsbeginns tatsächlich in seiner Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt worden zu sein. Zum anderen konnte er sich nicht dahingehend auf eine Verletzung des Gebots der Chancengleichheit berufen, dass er die an einen Teil der Prüflinge ausgegebene Klausur nicht vorab einsehen konnte.
Sollte es während einer Steuerberaterprüfung tatsächlich zu einer Störung kommen, ist die § 22 Abs. 4 DVStB zu ...