Leitsatz

1. Kosten für die behinderungsbedingte Unterbringung in einer sozial-therapeutischen Einrichtung können außergewöhnliche Belastungen sein.

2. Ist das FG aufgrund eines von einem fachkundigen Arzt erstellten Gutachtens von der Notwendigkeit der Unterbringung überzeugt, bedarf es nicht mehr eines amtsärztlichen Attests.

 

Normenkette

§ 33 EStG

 

Sachverhalt

K, 1939 geboren, war seit 1960 wegen Geistesschwäche entmündigt. Ein nervenärztliches Gutachten diagnostizierte bei K eine lebenslang bestehende geistige und seelische Behinderung durch frühkindliche Hirnschädigung mit intellektueller Einschränkung im Grad einer Imbezilität. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass K u.a. weder zur Gesundheitsfürsorge noch zur Bestimmung des Aufenthalts fähig sei und auch keine Hilfsmöglichkeiten bestünden, die eine Betreuung ganz oder teilweise entbehrlich machten.

K lebte seit 1977 in einer sozial-therapeutischen Einrichtung für geistig behinderte Menschen und bezog durch seine Arbeit in sozial-therapeutischen Werkstätten Lohn. Daneben erzielte er Einkünfte aus Renten, Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen. In seiner ESt-Erklärung machte er die Kosten der Heimunterbringung i.H.v. 20420 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend. Das FA lehnte dies ab, weil Ks Pflegebedürftigkeit nicht hinreichend nachgewiesen sei.

Das FG gab der Klage statt (FG Köln, Urteil vom 29.11.2007, 3 K 4346/06, Haufe-Index 2161248, EFG 2009, 1647).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG aus den unter Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen auf Grundlage seiner neuen Rechtsprechung, wonach der Nachweis nicht mehr nur durch amts- oder vertrauensärztliche Gutachten oder Atteste eines öffentlich-rechtlichen Trägers zu führen ist.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall ist ein erstes Beispiel für die vom VI. Senat geänderte Rechtsprechung im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen zum Nachweis krankheitsbedingter Aufwendungen (BFH, Urteil 11.11.2010, VI R 17/09, BFH/NV 2011, 503, BFH/PR 2011, 134).

Zu den nach § 33 Abs. 1 EStG abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen zählen die Aufwendungen, die nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Dazu gehören auch Krankheitskosten einschließlich der durch Krankheit veranlassten Heimunterbringung (dazu BFH, Urteil vom 13.10.2010, VI R 38/09, BFH/NV 2011, 351, BFH/PR 2011, 86). Nachdem das FG auf Grundlage des ärztlichen Gutachtens revisionsrechtlich bindend zu der Würdigung gekommen war, dass K krankheitsbedingt im Heim untergebracht war, war ein amtsärztliches Attest – nach der neuen Rechtsprechung des BFH (VI R 17/09, BFH/NV 2011, 503, BFH/PR 2011, 134) – nicht mehr erforderlich.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 09.12.2010 – VI R 14/09

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