Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Zu den als Nachlassregelungskosten abzugsfähigen Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können auch Kosten gehören, die im Rahmen der Teilung des Nachlasses für den Verkauf beweglicher Nachlassgegenstände durch Versteigerung anfallen, um die testamentarisch jedem Miterben zugewandten Geldbeträge zu erzielen.
2. Die Öffentlichkeit kann auch bei (teilweiser) Durchführung einer mündlichen Verhandlung mittels Bild- und Tonübertragung von einem anderen Ort nur im Gerichtssaal, nicht aber an dem anderen Ort hergestellt oder ausgeschlossen werden.
Normenkette
§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Sätze 1 und 3, Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 12 ErbStG, § 1922 Abs. 1, § 2032, § 2033 Abs. 2, § 2042, § 2048 Satz 1, § 2059, § 2060, § 2197 Abs. 1, § 2204 Abs. 1 BGB, § 52 Abs. 2, § 155 Satz 1 FGO, § 91a FGO a. F., § 169 Abs. 1 GVG, § 128a ZPO
Sachverhalt
Die Klägerin war mit einer Quote von 10,103 % Miterbin einer Erbengemeinschaft. Der Testamentsvollstrecker machte in der ErbSt-Erklärung für die Erbengemeinschaft Räumungskosten für ein Büro und die Wohnung der Erblasserin sowie Lagerkosten für die anlässlich des Umzugs der Erblasserin in eine Seniorenresidenz eingelagerten Möbel und Kunstgegenstände als Nachlassverbindlichkeiten geltend. In Abzug vom Nachlass brachte er außerdem das Honorar einer Kunstexpertin für die Beratung bei der Veräußerung der Nachlassgegenstände.
Das FA erkannte bei Festsetzung der ErbSt die geltend gemachten Erbfallkosten nicht als Nachlassverbindlichkeiten an. Die Klage vor dem FG hatte teilweise Erfolg (FG Köln, Urteil vom 18.8.2022, 7 K 2127/21, Haufe-Index 15620374). Das FG ließ die Räumungskosten für Büro und Wohnung als Nachlassverbindlichkeiten zum Abzug zu. Das Honorar für die Kunstexpertin und die Kosten für den Lagervertrag sah es nicht als Erbfallkosten i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG an, da der notwendige enge sachliche und zeitliche Zusammenhang mit dem Tod der Erblasserin nicht gegeben sei. Die Kosten seien erst anlässlich der Verwertung der Nachlassgegenstände angefallen und gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig.
In der mündlichen Verhandlung vor dem BFH beantragte die Klägerin den Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 52 Abs. 2 FGO. Der Senat schloss daraufhin die Öffentlichkeit aus. Der Prozessvertreter der Klägerin erhob Rügen zum Ausschluss der Öffentlichkeit und zur Gestattung der Teilnahme des FA an der mündlichen Verhandlung per Bild‐ und Tonübertragung.
Entscheidung
Die Revision war begründet. Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich auch bei den Kosten für das Honorar der Kunstexpertin und für die Lagerung der Nachlassgegenstände um abzugsfähige Nachlassregelungskosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG.
Die Verfahrensrügen der Klägerin hinsichtlich der mündlichen Verhandlung vor dem BFH blieben ohne Erfolg.
Hinweis
1. Von dem Erwerb von Todes wegen sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG die Kosten als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Der Begriff "Kosten der Regelung des Nachlasses" ist weit auszulegen. Er umfasst die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses einschließlich von Bewertungskosten, aber auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen. Die Kosten müssen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfallen.
2. Zu den Kosten für die "Verteilung des Nachlasses" gehören die Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft gemäß § 2042 BGB. Mit dem Tod des Erblassers geht dessen Vermögen auf die Erbengemeinschaft kraft Gesetzes über. Die Erbengemeinschaft ist nicht auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet.
3. Erfolgt die Auseinandersetzung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers, sind danach als Nachlassregelungskosten abzugsfähig Kosten für die Lagerung, Sichtung und Inventarisierung der Nachlassgegenstände sowie deren Versteigerung. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkauf dazu dient, die Geldbeträge zu erlangen, die nach dem testamentarischen Willen des Erblassers an die einzelnen Miterben ausgezahlt werden sollen. Es handelt sich dabei nicht um nichtabzugsfähige Nachlassverwaltungskosten i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG, denn der Verkauf der Nachlassgegenstände dient nicht der Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermögens. Unerheblich ist, ob eine kostengünstigere Lösung möglich gewesen wäre.
4. Für die Abziehbarkeit der unmittelbar mit der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im Zusammenhang stehenden Kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG unerheblich ist, ob die Erbengemeinschaft au...