Leitsatz
Die Aufwendungen für eine allein durch die verminderte Beweglichkeit der Spermien des Ehemanns verursachte künstliche Befruchtung können auch dann als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein, wenn die Krankenkasse der privat versicherten Eheleute die Übernahme der Kosten abgelehnt hat, weil die Ehefrau zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung älter als 40 Jahre war, die Ehegatten bereits ein Kind haben und nicht vorab ein amtsärztliches Gutachten über die Notwendigkeit der künstlichen Befruchtung eingeholt worden ist.
Sachverhalt
Die Eheleute hatten im Streitjahr ein gemeinsames leibliches Kind, das aus einer künstlichen Befruchtung hervorging. In ihrer ESt-Erklärung machten sie neben anderen Krankheitskosten Aufwendungen der Ehefrau für eine weitere künstliche Befruchtung als außergewöhnlichen Belastungen geltend, da eine Befruchtung auf normalem Weg erschwert gewesen sei. Das Finanzamt hat die Aufwendungen für die künstliche Befruchtung nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt, da sie angesichts des Alters der Ehefrau nicht mehr Erfolg versprechend gewesen sei Im Klageverfahren tragen die Eheleute vor, die Zeugungsunfähigkeit sei ein anomaler Zustand mit Krankheitswert, und die künstliche Befruchtung erfülle die Merkmale einer Heilbehandlung.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG stellt die beim Ehemann festgestellte Verminderung der Spermienbeweglichkeit einen anomalen körperlichen Zustand dar. Es handelt sich um eine allein auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen. Dadurch ist der Ehemann in der Ausübung normaler körperlicher Funktionen (Fertilität) derart beeinträchtigt, dass er nach herrschender Auffassung einer medizinischen Behandlung bedarf. Der Krankheitswert entfällt weder aufgrund des Alters der Ehefrau noch aufgrund der Tatsache, dass die Eheleute bereits Eltern eines leiblichen Kindes waren. Die strittigen Kosten sind auch als zwangsläufig zu beurteilen und es bedurfte nicht der Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens. Dies ist nach dem BFH-Urteil vom 3.3.2005 (III R 64/03, BFH/NV 2005 S. 1286) nur bei Maßnahmen erforderlich, die ihrer Art nach nicht eindeutig und unmittelbar nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist. Die Zwangsläufigkeit ist auch im Hinblick darauf zu bejahen, dass die durchgeführten Maßnahmen mit den Richtlinien der - von den Landesärztekammern erlassenen - Berufsordnungen für Ärzte in Einklang stehen.
Hinweis
Das rechtskräftige Urteil zeigt, dass sich in vergleichbaren Fällen der Weg zum Finanzgericht lohnen kann. In dem Urteilsfall ging es um eine homologe Befruchtung, da das Kind mit dem Samen des Mannes und der Eizelle der Ehefrau gezeugt wurde. Bei Paaren, die auf den Samen eines Spenders angewiesen sind (heterologe Befruchtung) dürfte die steuerliche Anerkennung schwieriger sein.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 20.05.2009, 10 K 2156/08