Leitsatz
Ambulante Krankenpfleger können trotz Beschäftigung von Mitarbeitern freiberuflich tätig sein, solange jeder Patient wöchentlich vom Betriebsinhaber bzw. einem der Gesellschafter persönlich aufgesucht wird. Die freiberufliche Behandlungspflege wird durch die geringfügige Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung nicht als gewerblich qualifiziert, wenn die Tätigkeiten getrennt erfasst werden.
Sachverhalt
Zwei Krankenpfleger führten gemeinsam eine Pflege-GbR, die sich mit häuslicher Krankenbetreuung befasste. Aufgrund steigender Nachfrage nach den Diensten der GbR wurden von den beiden Gesellschaftern bis zu 40 Mitarbeiter (davon viele Teilzeitkräfte) für den Pflegedienst und die Verwaltung eingestellt. Einer der Gesellschafter meldete zudem einen Gewerbebetrieb "Soziale Dienstleistungen" an, dessen Aufgabengebiet die praktische Hilfeleistung und Betreuung umfasste, mit Ausnahme von Pflegeleistungen im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit.
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, es handle sich bei der Pflege-GbR ebenfalls um ein gewerbliches Unternehmen. Die Entscheidung hat das Finanzamt damit begründet, dass zum einen aufgrund der Vielzahl der Mitarbeiter die für die freiberufliche Tätigkeit geforderte Voraussetzung der leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit der Gesellschafter nicht mehr gewährleistet sei und zum anderen die freiberufliche Tätigkeit durch die gleichzeitige gewerbliche Tätigkeit infiziert werde, weshalb die Leistungen insgesamt als gewerblich zu qualifizieren seien. Die GbR-Gesellschafter erhoben gegen diese Entscheidung nach erfolglosem Einspruch Klage beim Finanzgericht und beantragten Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide.
Entscheidung
Das FG hat in dem Beschluss zur Aussetzung der Vollziehung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Finanzamts zum Ausdruck gebracht und dies wie folgt begründet: Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die eigenverantwortliche Tätigkeit des Pflegedienstbetreibers voraus, dass er aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Pflegetätigkeit der Mitarbeiter bei jedem einzelnen Patienten Einfluss nimmt. In einem vom BFH entschiedenen Fall war die eigenverantwortliche Tätigkeit bei 94 Mitarbeitern noch nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern die eigene Pflegetätigkeit des Unternehmers nach den vorstehenden Kriterien näher zu prüfen (BFH, Urteil v. 30.9.1999, V R 56/97, BFH/NV 2000 S. 284). Wenn es sich - wie bei der GbR hier - um einen mitunternehmerischen Betrieb handelt, ist auf die eigenverantwortlichen Tätigkeit beider Gesellschafter im Verhältnis zum Mitarbeitereinsatz abzustellen. Bei insgesamt ca. 40 Mitarbeitern, von denen zudem viele nur als Teilzeitkraft beschäftigt waren, ist es durchaus denkbar, dass die Voraussetzungen für eine freiberufliche Tätigkeit von den beiden Gesellschaftern noch erfüllt werden. Auch sah das FG keinen Anhaltspunkt dafür, dass die gleichzeitige gewerbliche Tätigkeit auf die freiberufliche abfärbe.
Hinweis
Die Entscheidung erging im Aussetzungsverfahren, d.h. das FG hat in der Hauptsache noch nicht endgültig entschieden. Angesichts der im jetzigen Verfahrensgang geäußerten Bedenken scheint es jedoch wahrscheinlich, dass das FG auch dort bei seiner Linie bleibt.
In ähnlich gelagerten Fällen sollte darauf geachtet werden, dass entsprechend der nachfolgend zitierten FG-Rechtsprechung bei der Beschäftigung einer Vielzahl von Mitarbeitern wöchentliche Berichts- oder Dokumentationskontrollen und Patientenbesuche im Abstand von bis zu zwei oder drei oder sechs Wochen für die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit nicht ausreichen (FG Berlin, Urteil v. 20.3.2002, 6 K 6003/99, EFG 2002 S. 1233, Nichtzulassungsbeschwerde -NZB: IV B 94/02; FG Berlin, Urteil v. 26.4.2001, 4 K 4005/99, EFG 2001 S. 1311, NZB: IV B 135/01; FG, Urteil v. 16.1.2001, 7 K 7309/00, EFG 2001 S. 833, rechtskräftig).
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Beschluss vom 31.01.2003, III 133/01