Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verwertung von Feststellungen einer Betriebsprüfung, die ohne Schlussbesprechung abgeschlossen wurde. Infizierung der freiberuflichen krankenpflegerischen Tätigkeit durch gleichzeitige gewerbliche Tätigkeiten
Leitsatz (amtlich)
Betriebsprüfungs-Ergebnisse sind ohne Schlussbesprechung unabhängig davon verwertbar, ob auf eine solche verzichtet worden ist.
Ambulante Krankenpfleger können trotz Beschäftigung von Mitarbeitern freiberuflich tätig sein, solange jeder Patient wöchentlich vom Betriebsinhaber bzw. einem der Gesellschafter persönlich aufgesucht wird.
Die freiberufliche Behandlungspflege wird durch die geringfügige Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung nicht als gewerblich qualifiziert, wenn die Tätigkeiten getrennt erfasst werden.
Normenkette
AO § 201; FGO § 69; EStG § 15 Abs. 2, 3 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1, § 7
Tatbestand
I. Streitig ist die Haftung des Klägers für Gewerbesteuer 1991-1993 betreffend das in 1994 durch den Mitgesellschafter des Klägers allein fortgeführte Krankenpflege-Unternehmen der früheren Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR); insbesondere ist streitig, ob Betriebsprüfungsergebnisse ohne Schlussbesprechung verwertbar waren und ob es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Tätigkeit handelte.
II. Die GbR befasste sich mit häuslicher Krankenbetreuung und bestand seit ihrer Tätigkeitsaufnahme in Hamburg am 1. Juni 1990 mit je 50 % Anteilen des Klägers und des damaligen Mitgesellschafters, die beide examinierte Krankenpfleger sind (Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuer-Akte -GewSt-A- Bd. I Bl. 4, 5; Finanzgerichts-Akte -FG-A- III 124/01 Bl. 62).
Der Kläger meldete außerdem für sich per 1. Juli 1990 als gesondertes Einzelunternehmen ein Gewerbe "Soziale Dienstleistungen (praktische Hilfeleistungen und Betreuung), ausgenommen Pflegeleistungen im Rahmen einer heilhilfsberuflichen Tätigkeit" an (GewSt-A Bd. I Bl. 1 ff). Mit Schreiben des jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 16. August 1990 wurde mitgeteilt, dass der Kläger nicht allein arbeite, sondern mit seinem Mitgesellschafter zusammen als GbR in der häuslichen Krankenbetreuung tätig sei (GewSt-A Bd. I Bl. 5).
Während der Betrieb der GbR anwuchs, wurden zunehmend Mitarbeiter im Büro und in der Pflege beschäftigt (insbesondere examinierte Teilzeitkräfte). In einem Leserbrief des Mitgesellschafters in der Wochenzeitschrift "X" in 1991 Heft ... S. ... ist die Rede von "ungefähr 70 Mitarbeitern", davon über die Hälfte Angestellte (FG-A III 124/01 Bl. 28; FG-A III 125/01 Bl. 35). Folgende Daten ergeben sich aus den eingereichten Einnahme-Überschuss-Rechnungen und Lohnsteuer-Anmeldungen:
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Umsätze DM |
Fremdleist DM |
Personalkosten DM |
Lohnkosten DM |
2. Hj.1990 |
55.147 |
6.742 |
26.834 |
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1991 |
1.516.747 |
712.080 |
518.518 |
71.626 |
1992 |
3.806.771 |
2.217.964 |
931.508 |
128.968 |
1993 |
7.228.028 |
4.519.767 |
1.696.309 |
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Nach einem Umbau wurden neue Räume bezogen, möglicherweise Anfang 1993 (Protokoll vom 8. Mai 2001, FG-A III 124/01 Bl. 73 ff, 86, FG-A III 125/01 Bl. 69 ff, 82). Soweit kleinere andere Pflegegesellschaften über die GbR mit den Krankenkassen abgerechnet haben, erscheinen diese Umsätze unter den Fremdleistungen (Protokoll vom 4. September 2001, FG-A III 124/01 Bl. 96, 101, FG-A III 125/01 Bl. 90 ff, 95). Zeitweise wurden Zweigstellen unterhalten (FG-A Bl. 2, Abschlusserläuterungen per 31. Mai 1994, GewSt-A Bd. II Bl. 56).
Ende Mai 1994 wurde die GbR durch Ausscheiden des Klägers beendet. Danach führte der Mitgesellschafter den Betrieb als Einzelunternehmer in den bisherigen Geschäftsräumen weiter (FG-A III 124/01 Bl. 161, GewSt-A Bd. I Vorbl.u. Bl. 148, Bd. II Bl. 21).
III. 1. Ursprünglich hatte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) entsprechend den erklärten und zunächst festgestellten Gewinnen aus selbständiger Tätigkeit keinen Gewerbesteuermessbetrag und keine Gewerbesteuer festgesetzt.
2. Ab Juni 1995 wurde eine Betriebsprüfung für die ehemalige GbR betreffend 1990-1992 an Amtsstelle durchgeführt (Betriebsprüfungs-Akte -Bp-A- Bl. 1 ff, 20 ff, Betriebsprüfungs-Arbeitsakte -Bp-Arb-A- Bl. 2 ff, 32 ff). Am 4. Juli 1995 fand eine Besprechung mit dem jetzigen Prozessbevollmächtigten statt (FG-A III 124/01 Bl. 30 ff, FG-A III 125/01 Bl. 37 ff = Bp-Arb-A Bl. 44 ff). Am 27. Februar 1996 gab die Betriebsprüferin wegen Einnahmedifferenzen dem Kläger und dem Mitgesellschafter persönlich die Einleitung eines Strafverfahrens bekannt; die Prüferin notierte, dass die Gesellschafter sich zur Klärung wegen eines Termins für die Schlussbesprechung melden würden (Bp-Arb-A Bl. 153). Nach weiteren Telefonnotizen kam es nicht mehr zu diesem Besprechungstermin und vermerkte die Prüferin am 20. März 1996, dass die GbR telefonisch um Berichtsübersendung gebeten habe (Bp-Arb-A Bl. 154 f). Mit diesem Datum wurde der Betriebsprüfungsbericht (Bp-Bericht) am 1. April 1996 zur Post gegeben (Bp-A Bl. 16 ff, Bp-Arb-A Bl. 155 ff).
3. Im Anschluss an die Betriebsprüfung für 1990-1992 erließ das FA Gewerbesteuermessbetrags-...