Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Alkohol- und Drogensucht
Nach heutiger Auffassung handelt es sich bei einer Alkoholabhängigkeit (einschließlich der daraus resultierenden Folgen) um eine Krankheit.
Besondere Bedeutung kommt der Alkoholabhängigkeit bei der Frage zu, ob diese als anspruchsausschließendes Verschulden i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG gilt. Jedenfalls spielt die anfängliche Ursache für das Entstehen der Alkoholabhängigkeit keine Rolle mehr als Anknüpfungspunkt für ein solches Verschulden. Diese Grundsätze dürften auch für andere Drogenabhängigkeiten gelten.
Alter
Das altersbedingte Nachlassen der körperlichen und geistigen Kräfte ist grundsätzlich keine Krankheit. Die Abgrenzung zu typisch oder häufig altersbedingten Krankheiten ist jedoch fließend. Soweit diese altersbedingten Krankheiten die Leistungsfähigkeit dauerhaft einschränken, kann dies zur Berufsunfähigkeit führen. Typische Beispiele sind Rückenprobleme, Hüft- oder Kniegelenksverschleiß etc.
Organspende
Die früher unklare Rechtslage bei der Arbeitsunfähigkeit nach einer Organspende, ist durch die gesetzliche Regelung des § 3a EFZG gelöst. Danach gilt eine Organ- oder Gewebespende zwar nicht als Krankheit, wird aber als Arbeitsunfähigkeit behandelt. Die Besonderheit besteht in der Regelung zur Erstattung der Entgeltfortzahlungskosten, die nicht allein dem Arbeitgeber aufgebürdet werden sollen.
Schönheitsoperationen
Schönheitsoperationen stellen grundsätzlich keine Krankheit dar. Die vom Einzelnen subjektiv empfundenen körperlichen Defizite begründen keinen regelwidrigen Körperzustand, der eine Heilbehandlung erforderlich macht. Dies kann im (seltenen) Fall anders zu beurteilen sein, wenn die körperlichen Defizite zu nachweisbar tiefen psychischen Leiden geführt hat. Komplikationen, die infolge einer Schönheitsoperation auftreten (Entzündungen o. Ä.) wiederum begründen eine Krankheit. Auch hier stellt sich die Frage, ob ein anspruchausschließendes Verschulden vorliegt.
Schwangerschaft und künstliche Befruchtung
Schwangerschaft ist keine Krankheit, solange sie regulär verläuft. Eine mit außergewöhnlichen Beschwerden oder Störungen verlaufende Schwangerschaft stellt dagegen eine Krankheit dar.
Eine In-vitro-Fertilisation und die damit in Zusammenhang stehende Eingriffe und Maßnahmen stellen keine Krankheit dar. Kommt es aufgrund einer nach den ärztlichen Standards durchgeführten In-vitro-Fertilisation zu gesundheitlichen Komplikationen, handelt es sich wiederum um eine Krankheit, die Entgeltfortzahlungsansprüche begründet.
Auch bei der Zeugungs- oder Empfängnisunfähigkeit handelt es sich um eine Krankheit – diese wird jedoch kaum zur Arbeitsunfähigkeit führen. Dagegen begründet ein aufgrund der Zeugungsfähigkeit des Partners unerfüllter Kinderwunsch keine Krankheit. Dies ändert sich erst dann, wenn es dadurch zu diagnostizierbaren Beeinträchtigungen, insbesondere psychischer Art kommt.