Zusammenfassung
Krankheit ist ein ärztlich diagnostizierbarer, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand. Er muss behandlungsbedürftig sein und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben. Der Begriff ist gesetzlich nicht definiert, sondern durch die Rechtsprechung geprägt.
Der Begriff ist zentral für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG, aber gesetzlich dort (§ 3 EFZG) nicht definiert.
Daneben stellt die Krankheit den wichtigsten Fall der personenbedingten Kündigung im Rahmen des KSchG dar; allerdings fehlt auch im Kündigungsschutzgesetz eine Legaldefinition des Begriffs.
Die Leistungsbeschränkungen gesetzlicher Krankenkassen bei Vorliegen eines Selbstverschuldens bezüglich einer Krankheit sind im § 52 SGB V beschrieben.
Arbeitsrecht
1 Arten von Erkrankung
Anknüpfend an die Definition der Krankheit (s. o.) ist eine gesundheitliche Regelwidrigkeit gegeben, wenn der Zustand nicht als im natürlichen Lebensverlauf nach Alter und Geschlecht vergleichbarer Menschen zu erwarten ist. Der Begriff der Krankheit stellt damit auf einen Vergleich mit dem durchschnittlich erwartbaren Körper- und/oder Geisteszustand eines Menschen ab – ein berufsspezifischer Bezug oder die arbeitsvertragsbezogene Unmöglichkeit der Leistungserbringung spielt dafür keine Rolle. Darauf kommt es im Rahmen der Entgeltfortzahlung erst bei der Entscheidung an, ob die Krankheit auch zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat.
Art und Ursache sind unerheblich und für den Begriff selbst ohne Belang. Die Ursache spielt allenfalls eine Rolle bei der (nachgelagerten) Frage des anspruchsausschließenden "Verschuldens" i. S. v. § 3 EFZG. Der Behandlungsbedarf im Sinne der Definition erfordert allerdings nicht den Behandlungserfolg. Eine Krankheit ist auch gegeben, wenn keine Heilung möglich ist wie beispielsweise bei einer zum Tode führenden Krebserkrankung, bei der nur noch eine Schmerztherapie zur Anwendung kommt.
Der medizinische Fortschritt verändert den Krankheitsbegriff fortlaufend; Hinweise geben die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" des BMAS.
Arbeitsrechtlich spielt die Krankheit in 2 zentralen Bereichen eine Rolle:
- Dem Recht der Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit: Die zur Arbeitsunfähigkeit führende Krankheit ist Anspruchsvoraussetzung für die Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG. Entscheidend ist die Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung über einen bestimmten Zeitraum, für den der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist.
- Dem Kündigungsrecht des Arbeitgebers als personenbedingte Kündigung aus Krankheitsgründen: Die (zukünftig zu erwartenden) krankheitsbedingten Ausfälle können eine krankheitsbedingte Kündigung rechtfertigen. Entscheidend ist eine Prognoseentscheidung (sog. "negative Prognose") darüber, wie sich der krankheitsbedingte Arbeitsausfall zukünftig auf das Arbeitsverhältnis auswirken wird.
In beiden Bereichen kommt es dabei entscheidend auf die betrieblichen Belastungen durch den krankheitsbedingten Ausfall an. Dies hängt entscheidend von Art und Umfang der Erkrankung ab. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um eine Kurz- oder Langzeiterkrankung handelt.
1.1 Kurzzeiterkrankung
Ein häufiger Ausfall des Arbeitnehmers für kurze Phasen von weniger als 6 Wochen, die jeweils neue Entgeltfortzahlungszeiträume auslösen, stellt eine hohe betriebswirtschaftliche Belastung dar. Grundsätzlich besteht jedoch für jeden dieser Krankheitsphasen der Anspruch auf Entgeltfortzahlung, es gibt keine absolute jährliche Obergrenze für den Entgeltfortzahlungsanspruch. Dennoch sieht das EFZG mehrere Beschränkungen des Entgeltfortzahlungsanspruchs vor:
Liegt eine sog. "Fortsetzungskrankheit" vor, entfällt der Entgeltfortzahlungsanspruch nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG. Ein solcher Fall erfordert allerdings keine vollkommene Identität des Krankheitsbildes. Ausreichend ist, dass die konkrete Krankheit Folge eines einheitlichen Grundleidens ist. Umgekehrt begründen identische Krankheitssymptome nicht zwingend einen Fortsetzungszusammenhang.
Beispiele:
- Das Grundleiden "Multiple Sklerose" führt zu Stürzen verschiedener Art mit ganz unterschiedlichen gesundheitlichen Folgen, z. B. Knochenbrüchen, Verstauchungen, Prellungen oder aber zu psychischen Belastungen wie Depressionen.
- Die mehrfache Infektion mit dem Grippevirus ist nicht durch ein Grundleiden verklammert, obwohl sich die Krankheitssymptome gleichen.
Im Kündigungsschutzrecht muss sich aus den unterschiedlichen Kurzerkrankungen die Prognose ableiten lassen, dass es auch in Zukunft regelmäßig zu Ausfällen kommen wird – dabei kann dies auch mit dem Rückschluss auf eine generelle "Krankheitsanfälligkeit" begründet werden.