Dorothée Gierlich, Dr. Ingo Heuel
Ein Veräußerungsvorgang i. S. d. § 23 Abs. 1 EStG liegt immer dann vor, wenn sich an dem in Rede stehenden Wirtschaftsgut ein Rechtsträgerwechsel vollzieht.
Tauschvorgänge
Daher ist der Tausch eines Token einer Kryptowährung in einen Token einer anderen Kryptowährung als Veräußerung der Ersteren i. S. d. § 23 Abs. 1 EStG zu bewerten.
Kauf und Tausch innerhalb kurzer Zeit
Werden kurzfristig, z. B. am selben Tag Kryptowährungen (z. B. BTC) gekauft und unmittelbar gegen eine andere Kryptowährung getauscht (z. B. auf einer anderen Exchange gegen Polkadot, weil man diese nicht mit Euro, sondern nur mit BTC kaufen kann), ist dieser Vorgang dem Grunde nach steuerpflichtig, da er innerhalb der Ein-Jahres-Frist erfolgt. Aufgrund der meist kurzen Zeitspanne zwischen Anschaffung und Tausch entsteht jedoch der Höhe nach meistens nur ein überschaubarer negativer oder positiver Überschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen Anschaffungskosten und Veräußerungspreis. Bei größeren Handelsvolumina und zwischenzeitlichen Wertsteigerungen kann jedoch schnell die Freigrenze von 600 EUR überschritten sein.
Verwendung als Zahlungsmittel für Waren und Dienstleistungen
Eine Veräußerung liegt u. E. und nach Meinung der Finanzverwaltung auch bei der Verwendung von Kryptowährungen als Zahlungsmittel für Waren und Dienstleistungen vor. Der Wert der im Gegenzug erhaltenen Ware oder Dienstleistung stellt den Veräußerungspreis dar. In der Literatur wird diese Meinung überwiegend nicht geteilt, da hier auf den Vergleich mit Fremdwährungsgeschäften abgestellt wird. Bei Fremdwährungsgeschäften zum Bestreiten von Ausgaben der privaten Lebensführung oder zur Begleichung von Verbindlichkeiten liege unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten keine Veräußerung des Wirtschaftsgutes Fremdwährung (Tausch Wirtschaftsgut gegen Geld) vor. Diese Grundsätze seien auf Kryptowährungen zu übertragen, da diese in der Umsatzsteuer gleichbehandelt würden. Rechtsprechung zur steuerlichen Beurteilung des Einsatzes von Kryptowährungen als Zahlungsmittel existiert derzeit noch nicht. U. E. verbietet sich die Übertragung der umsatzsteuerlichen Grundsätze ins Ertragsteuerrecht. Ebenso sind die Grundsätze für Fremdwährungsgeschäfte im Rahmen des § 23 EStG nicht anzuwenden, solange es sich nicht um Fremdwährungen handelt. Ungeachtet dessen differenziert der Wortlaut des § 23 EStG nicht nach der Einsatzfunktion oder gar der Verwendungsabsicht der dort genannten Wirtschaftsgüter. U. E handelt es sich schon mangels Körperlichkeit nicht um Gegenstände des täglichen Gebrauchs nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG.
Folgt man der Gegenmeinung, wäre die Anwendung von § 23 EStG auf Kryptowährungen nicht möglich, soweit diese in ihrer Funktion als Zahlungsmittel genutzt werden.
Sicherheitengestellung (Lending)
Beim Lending handelt es sich nicht um einen Veräußerungsvorgang. Zwar geht das wirtschaftliche Eigentum auf den Dritten über; jedoch besteht zugleich die Verpflichtung zur Rückgabe des entliehenen bzw. zur Sicherheit gestellten Coins bzw. Tokens. Entsprechendes gilt u. E. beim Staking im Rahmen des PoS hinsichtlich der zum Staking hingegebenen Coins.
Leerverkäufe
Der Besteuerung gem. § 23 Abs. 1 EStG unterliegen auch Veräußerungsgeschäfte, bei denen die Wirtschaftsgüter vor deren Erwerb veräußert werden. Aus dem Vergleich mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG ergibt sich, dass in den Fällen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG keine Haltefristen zum Tatbestand gehören. Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG ist erfüllt, wenn ein (weiterhin) unter § 23 EStG fallendes Wirtschaftsgut bereits vor seinem Erwerb veräußert wird (sog. Leerverkauf). Bei einem gedeckten Leerverkauf wird zunächst die Kryptowährung entliehen, um sie dann zu veräußern. Vor Ablauf der Leihdauer erwirbt der Steuerpflichtige die Kryptowährung, um sie an den Verleiher wieder zurückzugeben. Es erfolgt mithin eine Spekulation auf fallende Kurse.
Keine Haltefrist bei Leerverkäufen
Bei Leerverkäufen ist der Veräußerungsgewinn stets unabhängig von einer Haltefrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG steuerpflichtig. Dies bedeutet, dass die Wertveränderung der Kryptowährung zwischen Veräußerung und Erwerb, also der Veräußerungsgewinn des Entleihers, immer steuerpflichtig ist.
Verlust von Kryptowährungen
Im Fall des Diebstahls einer Hardware-Wallet, des Diebstahls von Coins auf einer Exchange durch einen Hackerangriff oder des Verlusts von Coins durch Insolvenz einer Exchange, liegt nach h. M. keine (fiktive) Veräußerung der Coins vor. Die entsprechenden Verluste sind nach § 12 Nr. 1 EStG steuerlich unbeachtlich. Gleiches dürfte für die beim Forging "verlorenen" Einheiten
gelten. Im Gegenzug sind auch etwaige Entschädigungen im Privatvermögen nicht steuerbar. U.E. können aber die beim Forging verlorenen Coins als Werbungskosten nach § 22 Nr. 3 EStG geltend gemacht werden. Hier realisiert sich nicht nur das allgemeine Risiko, Coins zu verlieren, e...