Dorothée Gierlich, Dr. Ingo Heuel
Wie bereits angeführt, existiert inzwischen ein BMF-Schreiben zu Kryptowährungen. Zur Vermeidung einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO kommt der durch den BGH konstruierten Offenlegungspflicht des Steuerpflichtigen eine große Bedeutung zu. Diese Pflicht bedeutet, dass er im Rahmen seiner Steuererklärung darauf hinweisen muss, wenn er eine von der Rechtsprechung, den Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Verwaltungspraxis abweichende Rechtsauffassung vertritt. Danach hat der Steuerpflichtige diejenigen Sachverhalte mitzuteilen, deren Relevanz objektiv zweifelhaft ist und die das Finanzamt in die Lage versetzen, zu erkennen, dass der Steuerpflichtige seiner Steuererklärung eine abweichende Rechtsauffassung zu Grunde legt. Hintergrund ist, dass das Finanzamt aufgrund der lediglich in Summe erfassten Zahlen nicht den Sachverhalt erkennen kann, der dahintersteht. U. E. bestand – nach der o. g. BGH-Rechtsprechung – nicht die Notwendigkeit offenzulegen, dass vom Entwurf eines BMF-Schreibens abgewichen wird. Ungeachtet stellte auch die Offenlegung der Abweichung vom Entwurf des BMF-Schreibens den sichersten Weg zur Vermeidung auch nur des Vorwurfs einer Steuerhinterziehung dar.
Hierfür sollten Steuerberater das sog. qualifizierte Freitextfeld nach § 155 Abs. 4 Satz 3 AO nutzen. Durch Eintragungen in dieses Feld wird die automatisierte Bearbeitung unterbrochen und der Fall ausgesteuert. Ein Amtsträger muss sich mit der Veranlagung befassen. Durch die Möglichkeit, die das Freitextfeld dem Steuerpflichtigen bietet, weitere Angaben zu seiner Steuererklärung zu machen, wird seinem Anspruch auf rechtliches Gehör entsprochen.
Umstritten ist aber die in der Abwehrberatung bedeutsame Frage, ob der Vorwurf einer Steuerhinterziehung durch eine verdeckt vertretene abweichende Rechtsauffassung nur durch Nutzung bzw. Ansprechen des sog. Freitextfeldes vermieden werden kann, oder ob es ausreicht, wenn der Steuerpflichtige die Sachverhalte, deren Relevanz objektiv zweifelhaft ist, etwa ohne zusätzliche Nutzung des Freitextfeldes nur in einem Begleitschreiben dem Finanzamt mitteilt.
Offene Kommunikation mit dem Finanzamt
Ein steuerstrafrechtliches Risiko besteht jedenfalls dann nicht, wenn der Steuerpflichtige bei den "ergänzenden Angaben zur Steuererklärung im Hauptvordruck" das Freitextfeld aktiviert und entsprechend erläuternde Angaben (ggf. in einem Begleitschreiben) macht. Insbesondere steuerliche Berater sollten in diesem Sinne mit "offenem Visier" kämpfen. Die bloße Aktivierung ohne erläuternde Angaben wird nicht rechtssicher ausreichen, um auch auf der Grundlage der Verwaltungsansicht den objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung auszuschließen. In einer Verteidigungssituation wird sich hingegen die Argumentation anbieten, dass der Fall bewusst der maschinellen Bearbeitung entzogen wurde.
Es bietet sich ferner an, die gesamten Unterlagen, die der Ermittlung der Einkünfte aus Kryptowährungen zugrunde liegen (also sämtliche Transaktionen) und die Steuerreporte aus den o. g. Tools dem Finanzamt mitzuschicken und in einem Begleitschreiben darauf hinzuweisen, an welchem Punkt und aus welchen Gründen von dem Steuerreport des Tools abgewichen wurde. Hier bietet es sich an, im Hauptvordruck der Einkommensteuererklärung den Haken bei "Steuererklärung mit Einreichung von Belegen" zu setzen und die Belege über die Elster-Belegeinreichung oder als "sonstige Nachricht" zu übermitteln.
Sofern Sachverhalte nachträglich nicht mehr aufklärbar sind, sollte auch dieser Umstand dem Finanzamt gegenüber offengelegt werden und eine möglichst fundierte und nachprüfbare Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gegenüber dem Finanzamt erfolgen.
Dies hat den Vorteil, dass das Finanzamt zumindest theoretisch in der Lage ist, die Ermittlung zu überprüfen und insoweit im steuerstrafrechtlichen Sinne eine abweichende Rechtsauffassung jedenfalls nicht verdeckt vertreten wird. Steuerverfahrensrechtlich sind die Sachverhalte bzw. Tatsachen, die sich aus den eingereichten Unterlagen ergeben, dem Finanzamt bekannt und stellen keine neue Tatsache i. S. d. § 173 AO dar.
Stellt sich die Verwaltungsansicht später durch höchstrichterliche Rechtsprechung als falsch und mithin die Ansicht des Steuerpflichtigen als richtig heraus, so liegen bereits keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vor.