Zusammenfassung
Künstliche Intelligenz erlebt gerade einen Hype. Auch in Steuerabteilungen und Beratungskanzleien können maschinelles Lernen, Big Data Analytics und Co. zu digitalen Helfern werden. Wie und wo KI im Tax-Umfeld genutzt werden kann, erklärt KI-Experte Peter Fettke im Interview.
Was Künstliche Intelligenz bedeutet
Herr Fettke, wenn von künstlicher Intelligenz die Rede ist, wird oft zwischen starker und schwacher KI unterschieden. Wovon sprechen wir, wenn wir über KI sprechen?
Peter Fettke: Ich unterscheide zwischen der engen und der generellen KI. Eine enge Auffassung von KI ist die Vorstellung, dass eine Maschine eine bestimmte Aufgabe ausführt, die ein Mensch mithilfe von Intelligenz lösen kann – zum Beispiel Schach spielen oder Bilder erkennen. Die universelle oder generelle KI hingegen kann nicht nur eine bestimmte Aufgabe lösen, sondern sie bildet die komplette menschliche Intelligenz nach. Von so einer universellen KI sind wir noch weit entfernt.
Sprechen wir also über die enge KI und welche Anwendungen es dafür in der Steuerbranche gibt.
Hier möchte ich nochmal spezifizieren. Von John McCarthy, einem der Gründerväter der KI-Forschung, gibt es den schönen Ausspruch, dass eine Technologie nur so lange den Namen KI trägt, so lange sie noch nicht funktioniert. Schachcomputer, Navigationssysteme, Software zur optischen Texterkennung und Extraktion von Informationen aus Dokumenten oder Bildern – das alles sind Beispiele für Technologien, die auf Forschungsergebnissen der künstlichen Intelligenz beruhen, die aber gar nicht mehr als solche wahrgenommen werden.
Das heißt, künstliche Intelligenz trägt viele Namen.
Es ist ein ganzes Bündel an Technologien. Manche davon können rein quantitative Daten verarbeiten andere werten Text- oder Bilddaten aus. Diesem Bündel an Technologien stehen die unterschiedlichen Aufgaben einer Steuerabteilung gegenüber. Bei den operativen Steueraufgaben trifft man zum Beispiel auf Massendaten, die mit KI-Technologien wie Big Data Analytics oder Process Mining analysiert werden können.
Künstliche Intelligenz in der Steuerberatung
Was macht man mit diesen Daten?
Man kann sie zunächst einmal sortiert erfassen, Muster und Abweichungen erkennen. Eine Anomalie-Erkennung kann von Steuerabteilungen in Unternehmen genutzt werden, um zum Beispiel im Zollbereich zu identifizieren, ob gewisse Erklärungen nicht den Regularien entsprechen oder Freihandelsabkommen nicht optimal genutzt werden. Es geht darum, aus den Daten Zusammenhänge zu erkennen oder auch ganze Datenströme, also einen kompletten betrieblichen Ablauf transparent zu machen. Gerade in den Steuerabteilungen ist diese Transparenz spannend, weil daraus eine ganze Reihe von steuerlichen Besonderheiten resultieren können. Man kann etwa verschiedene Varianten bei Freigabe-Prozessen oder Compliance-Maßnahmen relativ schnell und einfach analysieren, ohne dass man sich manuell durch die entsprechenden Prozessdateien quälen muss.
Wo sehen Sie noch KI-Anwendungsbereiche bei den operativen Steueraufgaben?
Mit KI-Technologien können Daten nicht nur erfasst und analysiert, sondern auch Arbeitsschritte automatisiert werden. Diese Automatisierung läuft unter dem Schlagwort Robotic Process Automation, kurz RPA. Das sind solche Arbeitsschritte, die typischerweise von einem Sachbearbeiter erledigt werden und einen Routinecharakter haben, wie zum Beispiel Rechnungsdaten von der einen in die andere Datei zu extrahieren. Auch maschinelles Lernen kann in Steuerabteilungen zum Einsatz kommen, etwa um die Ermittlung der Umsatzsteuer zu automatisieren.
Neben den operativen Steueraufgaben gibt es auch solche, die mehr mit Beratungstätigkeiten oder strategischen Aufgaben zu tun haben. Bleibt dort alles in der Hand der menschlichen Intelligenz und individueller Entscheidungsspielräume?
In diesen Bereichen können KI-Technologien den Menschen bei der Arbeit unterstützen. So eine Unterstützung kann beispielsweise die maschinelle Übersetzung eines Vertrages sein oder kognitive Dienste, die dem Berater durch eine Datenanalyse Hilfestellungen bei der Entscheidung geben können. Und wie in allen Bereichen, in denen Menschen miteinander arbeiten, kann im Steuerbereich Wissen automatisiert werden. Dafür gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Techniken.
Zum Beispiel?
Das beginnt schon mit einfachen Workflow-Technologien, mit deren Hilfe Arbeit koordiniert werden kann. Sie können zum Beispiel Sprachassistenten entwickeln, der Anfragen zu bestimmten Themen der entsprechend zuständigen Person zuordnet, Standardanfragen automatisiert beantwortet oder ein Tool, das Arbeitsaufgaben und Fristen abbildet.
Einsatzgebiete für Künstliche Intelligenz im Steuer-Bereich
Sind all diese Technologien heute schon im Einsatz?
Es gibt diese Technologien und man könnte sie sicherlich auch alle anwenden, allerdings sind das meist keine Standard-Produkte, die einfach irgendwo eingekauft und dann direkt genutzt werden können. Wie bei einem ERP-System müssen auch die genannten Technologien an die betrieblichen Besonderheiten angepasst werden und das braucht Zeit und eventuell auch Schulungen. Trotzdem werden einige der Technologien, die ich genannt...