Leitsatz
§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1999 ist weder verfassungsrechtlich noch gemeinschaftsrechtlich zu beanstanden, soweit diese Vorschrift für die Steuerfreiheit der dort genannten Umsätze voraussetzt, dass im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind.
Normenkette
§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 1999, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g, Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger betrieb einen privaten ambulanten Pflegedienst. Nach Abschluss eines Versorgungsvertrags (SGB V und SGB VIII und SGB XI) mit der zuständigen Pflegekasse beanspruchte er die Steuerbefreiung seiner Umsätze gem. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG und wies darauf hin, dass er -- rückwirkend -- seinen Betrieb ab- und sogleich neu angemeldet habe.
FA und FG (EFG 2007, 226) hielten die nur als formal zu beurteilende Ab- und Anmeldung -- zu Recht -- für unbeachtlich. Der Einwand des Klägers, er werde gegenüber Unternehmern benachteiligt, die einen Betrieb erst aufnehmen und bei denen deshalb nicht auf die Vorjahrsverhältnisse abgestellt werde, hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Die Revision des Klägers führte zu keinem anderen Ergebnis. Die wesentlichen Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Als Verfahrensfehler des FG hatte der Kläger gerügt, dieses habe nicht berücksichtigt, dass seine Leistungen der Behandlungspflege steuerbefreit seien. Das wäre -- so der BFH -- aber zunächst seine, des Klägers, Sache gewesen, dies vorzutragen.
Hinweis
1. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG verlangt, dass im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Die 40%-Grenze in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG, die sich -- jedenfalls sinngemäß -- auch in § 4 Nr. 16 Buchst. b, c und d UStG findet, soll sicherstellen, dass die betreffende Einrichtung in erheblichem Umfang zur Kostenentlastung der Sozialversicherungsträger beiträgt. Das ist weder verfassungs- noch gemeinschaftsrechtlich zu beanstanden. Rechtliche Zweifel an der 40%-Grenze in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG ergeben sich nur, wenn der Unternehmer die Voraussetzungen dieser Grenze aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erfüllen kann. Das hatte der BFH bereits im Anschluss an das EuGH-Urteil "L und P" für den Fall eines ärztlichen Labors geäußert.
2. Auch mit der Anknüpfung an die Verhältnisse des Vorjahrs (vgl. auch § 19 Abs. 1 UStG) hat der Gesetzgeber den ihm hier verfassungsrechtlich zustehenden Gestaltungs- und Typisierungsspielraum nicht überschritten. Mit dieser aus Vereinfachungsgründen getroffenen Regelung soll erkennbar -- so auch die Gesetzesbegründung -- sichergestellt werden, dass der Unternehmer bereits zu Beginn eines Kalenderjahrs weiß, ob er für die Umsätze dieses Jahrs die Steuerbe freiung in Anspruch nehmen kann.
Bei einem Unternehmer, der seine Tätigkeit im Lauf eines Kalenderjahrs neu aufnimmt, kann nicht auf die Vorjahrsverhältnisse abgestellt werden. Wenn die Finanzverwaltung für diesen -- anderen -- Sachverhalt an die voraussichtlichen Verhältnisse des laufenden Jahrs anknüpft, liegt darin keine unsachliche Ungleichbehandlung.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.01.2008, V R 54/06