1. Zu § 5 Abs. 1 ErbStG; Kappung der fiktiven Ausgleichsforderung
a) Zugewinngemeinschaft
§ 5 Abs. 1 ErbStG regelt die erbschaft-/schenkungsteuerrechtlichen Folgen des erbrechtlichen Zugewinnausgleichs (gesetzlicher Güterstand von in Deutschland geschlossenen Ehen und Lebenspartnerschaften; dazu z.B. Gelhaar, ZErb 2016, 10; zum Wahlgüterstand z.B. Reiter, SAM 2015, 99). Nach § 5 Abs. 1 ErbStG gilt im Fall des Todes eines Ehegatten oder Lebenspartners der Betrag nicht als Erwerb von Todes wegen, den der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner als Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 BGB hätte geltend machen können (fiktive Ausgleichsforderung), wenn er nicht Erbe geworden wäre und ihm auch kein Vermächtnis zustünde (allgemein zur Wertermittlung in dem Zusammenhang R E 5.1 ErbStR 2019 und H E 5.1 ErbStH 2019). Es handelt sich also um eine Steuerbefreiung. Der fiktive Zugewinn und die daraus zu errechnende fiktive Ausgleichsforderung werden nach den bürgerlich-rechtlich maßgebenden Verkehrswerten des Anfangs- und des Endvermögens des Erblassers und des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners ermittelt, und zwar unabhängig davon, ob für das maßgebende Endvermögen, zu dem auch das im Nachlass vorhandene Vermögen gehört, Steuerbefreiungen gewährt werden (nominale Wertsteigerungen des Anfangsvermögens infolge des Kaufkraftschwundes sind zu neutralisieren; näheres H 5.1 (2) ErbStH 2019, was zu einer entspr. Minderung des Zugewinnausgleichsanspruchs und damit zu höherer Erbschaftsteuer führt).
Nach § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG ist die fiktive Ausgleichsforderung nach dem Verhältnis des (möglicherweise) niedrigeren Steuerwerts des Endvermögens des Erblassers zu dem Verkehrswert des Endvermögens zu kürzen. Beträgt z.B. der Steuerwert 75 % des Verkehrswerts, ist die nach zivilrechtlichen Grundsätzen errechnete Ausgleichsforderung um 25 % zu mindern. Zur Ermittlung der erbschaftsteuerfreien Zugewinnausgleichsforderung ist dafür der Wert des Endvermögens des verstorbenen Ehegatten einschl. der Hinzurechnungen nach § 5 Abs. 4 ErbStG (maßgebender Nachlass) deshalb auch nach steuerlichen Bewertungsgrundsätzen zu ermitteln (vgl. R E 5.1 Abs. 5 Satz 4 ErbStR 2019; Berechnungsbeispiel in H E 5.1 (5) ErbStH 2019). Der Steuerwert des Endvermögens kann z.B. wegen niedrigerer steuerlicher Werte von Grundstücken, GmbH-Anteilen, niedriger als dessen Verkehrswert sein.
Im steuerlichen Endvermögen werden zudem erbschaftsteuerfreie Vermögensgegenstände, z.B. ein Familienheim, ein Denkmalobjekt nicht oder teilweise nicht erfasst. Nach der Neuregelung in § 5 Abs. 1 Satz 6 ErbStG müssen künftig steuerbefreite Vermögensgegenstände anteilmäßig im Endvermögen erfasst werden. Ist die erbschaftsteuerrechtlich maßgebende Bemessungsgrundlage des erworbenen Endvermögens wegen Steuerbefreiungen in erheblichem Umfang gemindert, muss die fiktive Ausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners entspr. gemindert werden.
b) Auswirkungen für die Praxis
Im Ergebnis ergibt sich eine niedrigere steuerfrei Zugewinnausgleichsforderung und damit eine höhere Erbschaftsteuer des überlebenden Ehegatten/Lebenspartners! (Dazu Schneider/Teuber, UVR 2021, 54). Für die Praxis von Bedeutung ist einmal, wie jetzt die steuerfreie Zugewinnausgleichsforderung zu errechnen ist und ab wann die Neuregelung anzuwenden ist.
aa) Berechnung
In dem Erlass werden eine Berechnungsformel und die Berechnung in drei Beispielen dargestellt. Es ist anzunehmen, dass die Berechnung später automatisch vorgenommen werden kann, bzw. in Berechnungstools entspr. Dienstleister übernommen wird.
In den Beispielen befinden sich im steuerlichen Endvermögen des Erblassers/der Erblasserin jeweils ein nach § 3 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG zu befreiendes Familienheim. Dadurch ist das steuerliche Endvermögen ggf. um den Wert des Hauses gemindert. Nach der Neuregelung mindert sich die steuerfreie Zugewinnausgleichsforderung hier in dem Verhältnis, in dem der Wert des steuerfreien Hauses zum Wert des gesamten Nachlasses (einschl. des befreiten Vermögens) steht. Beträgt die steuerliche Zugewinnausgleichsforderung 500.000 EUR und macht der steuerlich geminderte Nachlasswert 69 % des gesamten Nachlasswertes aus, beträgt die steuerfreie Zugewinnausgleichsforderung nach der Neuregelungen nur noch 69 % der Zugewinnausgleichsforderung, also ca. 345.000 EUR (so Beispiel 1).
Beraterhinweis In manchen Fällen wird zunächst eine Steuerbefreiung gewährt, aber bei Eintritt bestimmter Ereignisse rückwirkend versagt, z.B. bei vorzeitiger Beendigung der Selbstnutzung eines Familienheims gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 5 ErbStG (so Beispiel 3). In dem Fall würde sich nachträglich auch das steuerliche Endvermögen erhöhen, so dass sich letztlich eine höhere steuerfreie Zugewinnausgleichsforderung ergäbe. Dies wäre bei der nachträglichen Erbschaftsteuerfestsetzung gem. § 175 Abs1 Nr. 2 AO zu berücksichtigen, ggf. geltend zu machen. Für den Fall, dass eine Steuerbefreiung rückwirkend erhöht oder erstmalig gewährt wird, könnte sich allerdings nachträglich eine niedrigere Ausgleichsforderung und damit ggf. eine höhere Erbschaftsteuer ergeben; dies umzusetzen ist v...