Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeit einer Betriebsratswahl
Leitsatz (amtlich)
1. Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl kann im Beschlussverfahren auch von einem einzelnen Arbeitnehmer geltend gemacht werden.
2. Eine Vielzahl verschiedener Verstöße gegen Wahlvorschriften kann zur Nichtigkeit einer Betriebsratswahl führen
Normenkette
BetrVG § 19
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 20.08.2002; Aktenzeichen 63 BV 11474/02) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 20.08.2002 – 63 BV 11474/02 – wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten in dem vorliegenden Verfahren über einen Antrag des Antragstellers auf Feststellung der Nichtigkeit der im Jahre 2002 bei der Beteiligten zu 2) durchgeführten Betriebsratswahl.
Der Antragsteller war Ersatzmitglied eines im Jahre 1999 bei der Beteiligten zu 2) gewählten Betriebsrates, der aus einer Person bestand. Nach Ausscheiden des gewählten Betriebsratsmitgliedes Ende Dezember 1999 rückte der Antragsteller nach. Am 03. April 2002 fand bei der Beteiligten zu 2) eine Betriebsversammlung statt. An dieser nahmen 17 Arbeitnehmer teil. Es wurde ein Wahlvorstand aus drei Mitgliedern gebildet. Die Wahl wurde sofort eingeleitet, Wahlvorschläge wurden gemacht. Der Antragsteller nahm an der Betriebsversammlung nicht teil. Für die Betriebsratswahl wurden drei Arbeitnehmer vorgeschlagen, unter ihnen der Antragsteller. Das Protokoll der Betriebsversammlung enthält folgende Bemerkung:
„Aufgrund der vorher getroffenen Vereinbarung ist es nicht erforderlich gewesen, die erforderlichen Stützunterschriften tatsächlich schriftlich einzuholen; alle Anwesenden votierten per Handschlag.”
Die Erklärung der Zustimmung der vorgeschlagenen Bewerber und Bewerberinnen ist dem Protokoll der Versammlung nicht zu entnehmen. Der Wahlvorstand hat lt. Protokoll der Betriebsversammlung eine Nachfrist bis zum Nachmittag des selben Tages um 16.30 Uhr zur Einreichung weiterer Wahlvorschläge gewährt. Auf den Wortlaut des Protokolls der Betriebsversammlung vom 03. April 2002 wird Bezug genommen (Bl. 23 d.A.). Mit Schreiben vom 23. April 2002 (Bl. 26 d.A.) gab der Wahlvorstand die Namen der Bewerber und Bewerberinnen bekannt. Ferner wird auf den Inhalt des Wahlausschreibens vom 04. April 2002 Bezug genommen (Bl. 27 d.A.). Aus der am 03. April 2002 erstellten Wählerliste ergeben sich 21 weibliche und fünf männliche Arbeitnehmer. Bei der am 11. April 2002 durchgeführten Betriebsratswahl wurden 23 Stimmzettel abgegeben. Wegen des Inhalts der Wahlniederschrift wird auf Bl. 28, 29 d.A. Bezug genommen. Bei der Stimmauszählung erhielten Frau Gröger 19 Stimmen, Herr Redmann 18 Stimmen und Frau Schmidt 16 Stimmen, Frau Viergutz sieben Stimmen, der Antragsteller erhielt zwei Stimmen. Frau Gröger, Frau Schmidt, Herr Redmann und Frau Viergutz nahmen die Wahl an. Der Antragsteller, der seit dem 28. März 2002 arbeitsunfähig krank ist, beteiligte sich mittels Briefwahl an der Betriebsratswahl.
Mit der am 19. April 2002 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift hat der Antragsteller die Feststellung der Nichtigkeit der im Jahr 2002 durchgeführten Betriebsratswahl begehrt.
Von der Darstellung des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der ersten Instanz wird unter Bezugnahme auf den angefochtenen Beschluss (Bl. 316 bis 319 d.A.) abgesehen.
Durch Beschluss vom 29. August 2002 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die im Jahr 2002 durchgeführte Betriebsratswahl nichtig sei. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses (Bl. 316 bis 328 d.A.) verwiesen.
Gegen diesen ihr am 25. September 2002 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 2) am 23. Oktober 2002 Beschwerde eingelegt, die sie nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 27. Dezember 2002 am gleichen Tage begründet hat.
Die Beteiligte zu 2) vertritt die Auffassung, dass zwar formale Verstöße gegen die Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und seiner Wahlordnung vorgelegen hätten, dass daraus aber noch keine Nichtigkeit der Betriebsratswahl folge. Die Einberufung der Wahlversammlung durch den Konzernbetriebsrat könne nicht zur Nichtigkeit führen. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass der Antragsteller bereits seit dem 28. März 2002 arbeitsunfähig erkrankt sei und auch bis heute noch nicht wieder arbeitsfähig geworden sei. Auch die übrigen Fehler führten nicht zur Nichtigkeit. Außerdem meint die Beteiligte zu 2), dass die Antragsbefugnis des Antragstellers im Hinblick auf § 19 BetrVG problematisch sei.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin – 63 BV 11474/02 – vom 29. August 2002 abzuändern und den Antrag des Beteiligten zu 1) abzuweisen.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 3) stellt in der Beschwerdeinstanz keinen Antrag.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten zu 2) wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 27. Dezember...