Rechtsbeschwerde nicht zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung der Betriebsratswahl bei der Verletzung wesentlicher Vorschriften über das Wahlverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch nach der Stillegung des Betriebes kann für die Durchführung der Anfechtung einer Betriebsratswahl ein Rechtsschutzinteresse gegeben sein.

2. Im Falle der Wahl des Wahlvorstandes gemäß § 17 Abs. 1 BetrVG kann, zum Versammlungsleiter auch ein Sekretär der einladenden Gewerkschaft gewählt werden ohne daß es einer förmlichen Abstimmung bedarf.

3. An solchen Betriebsversammlungen kann auch der Arbeitgeber teilnehmen, sich jedoch nicht durch eine betriebsfremde Person vertreten lassen.

4. Die in § 3 Abs. 2 BetrVG DV vorgeschriebenen Mitteilungen gehören zu den wesentlichen Vorschriften über das Wahlverfahren im Sinne von § 19 Abs. 1 BetrVG.

5. Zur Frage, ob die Gesetzesverletzung zu einem anderen Wahlergebnis geführt hätte, wenn gleichwohl alle Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl teilgenommen haben.

 

Normenkette

BetrVG §§ 17, 19, 42 ff.; WO 72 § 3 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 30.08.1985; Aktenzeichen 54 BV 5/85)

 

Tenor

Auf die befristete Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. August 1985 – 54 BV 5/85 – wie folgt abgeändert:

Der Antrag auf Feststellung, daß die Wahl des Betriebsrats vom 6. Juni 1985 unwirksam ist, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin betrieb seit mehreren Jahren aufgrund eines Witwenprivilegs in Berlin (West) eine Belegklinik. Sie stellte den Klinikbetrieb zum 30. Juni 1985 ein. Sämtliche Verträge der bei ihr tätigen Arbeitnehmer, von denen 16 Angestellte und 10 Arbeiter das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat besaßen, wurde wie auch alle übrigen die Klinik betreffenden Verträge gekündigt.

Da zu jener Zeit im Betrieb der Antragstellerin ein Betriebsrat nicht existierte, lud die im Betrieb der Antragstellerin vertretene Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr im DGB (ÖTV), Landesbezirk Berlin, alle Arbeitnehmer der Antragstellerin zu einer Versammlung am 24. April 1985 ins Gewerkschaftshaus der ÖTV ein, um einen Wahlvorstand für die Wahl eines Betriebsrates zu bestellen. An der am 24. April 1985 durchgeführten Betriebsversammlung, deren Leitung der Abteilungsgeschäftsführer der ÖTV, … übernommen hatte, nahm zeitweise auch der von der Antragstellerin bevollmächtigte Rechtsanwalt … einer ihrer späteren Verfahrensbevollmächtigten, teil. Die in der Betriebsversammlung anwesenden Arbeitnehmer bestellten einen aus drei Wahlberechtigten bestehenden Wahlvorstand, und zwar … und Frau …

Am 23. April 1985 erließ der Wahlvorstand für die Gruppenwahl des Betriebsrates am 6. Juni 1985 gemäß Formblatt ein Wahlausschreiben, das im Betrieb der Antragstellerin zum Aushang kam. Angaben darüber, wo der Wahlvorstand seinen Sitz hat, wo der einzelne Wahlbewerber seinen Stimmzettel und den Wahlumschlag erhält und wo die Stimmabgabe über die gültigen Vorschlagslisten stattfindet; enthielt das Wahlausschreiben nicht, wie vorgesehen, wurde die Wahl des Betriebsrates als Gruppenwahl in geheimer Abstimmung am 6. Juni 1985 durchgeführt. Für die Gruppe der Arbeiter wurden 10 und für die Gruppe der Angestellten 16 Wahlumschläge abgegeben. In den Betriebsrat wurden folgende Bewerberinnen gewählt:

Frau …

Frau …

und Frau …

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 13. Juni 1985 eingegangenen Antragsschrift hat die Antragstellerin die Wahl des Betriebsrates vom 6. Juni 1985 angefochten.

Sie hat zunächst geltend gemacht, bereits die Wahl des Wahlvorstandes sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Betriebsversammlung verletzt worden sei. Eine Vertretung des Arbeitgebers durch eine betriebsfremde Person, nämlich durch ihren späteren Verfahrensbevollmächtigten, sei unzulässig. Rechtsanwalt … so hat die Antragstellerin behauptet, habe sich vor der Durchführung der Wahlversammlung als betriebsfremde Person zu erkennen gegeben. Der Versammlungsleiter habe sogar noch ausdrücklich die Anwesenheit ihres Rechtsanwaltes begrüßt. Erst als die Wahl des Wahlvorstandes beendet gewesen sei, ihr Rechtsanwalt durch den Versammlungsleiter gebeten worden, den Versammlungsort zu verlassen, was Rechtsanwalt … auch getan habe.

Des weiteren meint die Antragstellerin, wesentliche Wahlvorschriften seien auch deshalb verletzt worden, weil der Versammlungsleiter nicht ordnungsgemäß gewählt worden sei. Der Versammlungsleiter habe lediglich gefragt, ob jemand etwas gegen seine Person als Versammlungsleiter einzuwenden habe.

Ferner hat die Antragstellerin ausgeführt, daß weitere wesentliche Wahlvorschriften verletzt worden seien. So sei im Wahlausschreiben nicht angegeben, wo die Wahlvorschläge einzureichen seien. Die Ortsangaben hierfür seien ausdrücklich offen gelassen worden. Im Wahlausschreiben sei auch nicht angegeben worden, wo die wahlberechtigten Arbeitnehmer die Stimmzettel und die Wahlumschläge hätten erhalten können. Ebenso hätten Angaben darüber gefehlt,...

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