Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer Betriebsratswahl wegen der Wahlbeteiligung eines gekündigten Arbeitnehmers nach dem Ablauf der Kündigungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitnehmer, der vom Arbeitgeber fristgerecht gekündigt worden ist, verliert nach dem Ablauf der Kündigungsfrist auch dann sein aktives Wahlrecht zum Betriebsrat, wenn er die Kündigung gerichtlich angegriffen und seine Klage später Erfolg hat, es sei denn, er ist bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage tatsächlich weiterbeschäftigt worden.
Normenkette
BetrVG §§ 7, 9, 19; WO §§ 2, 4 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 04.11.1993; Aktenzeichen 40 BV 423/93) |
Tenor
Die (befristete) Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. November 1993 – 40 BV 423/93 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin, die im Bereich der Kunststoff Verarbeitung tätig ist, hat ihren Hauptbetrieb in Berlin-Kreuzberg und unterhält seit kurzer Zeit eine weitere Betriebsstätte in Rothenburg/Hessen. Im Berliner Betrieb der Antragstellerin werden etwa 50 Arbeitnehmer beschäftigt.
Mit Schreiben vom 17. Mai 1993 kündigte die Antragstellerin den Arbeitsvertrag ihres Arbeitnehmers … zum 31. Juli 1993, der nach diesem Zeitpunkt nicht mehr im Betrieb der Antragstellerin tätig war. Der Arbeitnehmer … erhob vor dem Arbeitsgericht Berlin eine Kündigungsschutzklage. Durch Urteil vom 10. September 1993 stellte das Arbeitsgericht Berlin rechtskräftig fest – 69 Ca 5562/92 –, daß das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers … durch die Kündigung der Antragstellerin nicht aufgelöst worden sei.
Am 1. Juli 1993 erließ der Wahlvorstand für die gemeinsame Wahl des Betriebsrates am 17. August 1993 gemäß Formblatt ein Wahlausschreiben, wonach der Betriebsrat aus fünf Mitgliedern bestehe. In der Wählerliste war in der Gruppe der Arbeiter auch der Arbeitnehmer … aufgeführt. In einer von der Antragstellerin dem Wahlvorstand zugeleiteten Wählerliste vom 13. August 1993 war bei mehreren Arbeitnehmern vermerkt, so bei den Angestellten … und … und den Arbeitern … und … daß diese gekündigt seien bzw. selbst gekündigt hätten. Das Wahlergebnis gab der Wahlvorstand am 18. August 1993 durch Aushang bekannt, wonach die Arbeitnehmer …, und … in den Betriebsrat gewählt worden seien.
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 1. September 1993 eingegangenen Antragsschrift hat die Antragstellerin die Wahl des Betriebsrates angefochten und behauptet, bei ihr seien in der Regel unter 51 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, so daß nur drei Mitglieder in den Betriebsrat hätten gewählt werden dürfen. Überdies hat sie die Auffassung vertreten, daß der Arbeitnehmer … nicht in die Wählerliste hätte aufgenommen werden dürfen, da sein Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Betriebsratswahl gekündigt gewesen sei.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Betriebsratswahl vom 17. August 1993 für unwirksam zu erklären.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zu Recht sei der Wahlvorstand, so hat der Betriebsrat ausgeführt, von 53 Wahlberechtigten Arbeitnehmern ausgegangen, so daß fünf Betriebsratsmitglieder zu wählen gewesen seien. Auch die gekündigten Arbeitnehmer hätten Berücksichtigung finden müssen. Überdies gehöre der Industriemeister … nicht zum Kreis der leitenden Angestellten. Er sei nicht zu Auftrags-, Anlagen-, Material- und Personaldispositionen berechtigt gewesen. Selbst wenn die Antragstellerin bereits im Frühjahr die betriebsinterne Entscheidung getroffen haben sollte, einen Teil des Betriebes nach Rothenburg zu verlagern, was mit einer Verminderung der Beschäftigtenzahl im Hauptbetrieb in Berlin verbunden gewesen sein soll, sei dieser Umstand dem Wahlvorstand im Zeitpunkt der Wahlvorbereitungen nicht bekannt gewesen. Überdies, so hat der Antragsgegner ausgeführt, sei es rechtsmißbräuchlich, durch eigenes Verhalten mögliche Gründe für eine Wahlanfechtung zu setzen und hiervon dann auch Gebrauch zu machen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im ersten Rechtszug im einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Durch Beschluß vom 4. November 1993 hat die Kammer 40 des Arbeitsgerichts Berlin die Wahl des Betriebsrates für unwirksam erklärt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der genannten Entscheidung verwiesen.
Gegen den seinen Verfahrensbevollmächtigten am 22. Dezember 1993 zugestellten Beschluß richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 11. Januar 1994 eingegangene Beschwerde des Betriebsrates, die von ihm gleichzeitig begründet worden ist.
Der Beschwerdeführer meint, der Arbeitnehmer … sei entgegen der Auffassung des Erstgerichts wahlberechtigt gewesen, da aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung feststehe, daß das Arbeitsverhältnis dieses Arbeitnehmers durch die Kündigung der Antragstellerin nicht beendet worden ist. Im übrigen wäre der Arbeitnehmer … auch dann wahlberechtigt gewesen, wenn später...