Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer Rückzahlungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Keine geltungserhaltende Reduktion unwirksamer Rückzahlungsklausel
Leitsatz (amtlich)
Eine Rückzahlungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen gewährter Sondervergütungen, die dort unter den Vorbehalt bei Beendigung bestehender anderslautender betrieblicher Regelungen gestellt ist, verstößt gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer unüberschaubare Unklarheiten begründet, welche Festlegungen aus welchen Quellen die vereinbarte Rückzahlungspflicht nach ihren Voraussetzungen verändern und auch verschlechtern können.
Eine solche Rückzahlungsklausel ist daher in Anwendung von §§ 306 Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB insgesamt unwirksam.
Die Teilstreichung allein des Vorbehalts liefe auf eine verbotene geltungserhaltende Reduktion hinaus, da der Vorbehalt mit der Vereinbarung über die Rückzahlungspflicht eine Sinneinheit bildet und gerade deren Inhalt ungewiss macht.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 2, § 306; ZPO § 92 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 29.07.2020; Aktenzeichen 55 Ca 11672/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. Juli 2020 - 55 Ca 11672/19 - abgeändert und die Beklagte unter Zurückweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 789,50 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. September 2019 zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte auf der Grundlage eines arbeitsvertraglich vereinbarten Rückzahlungsvorbehalts ein zuvor von ihr geleistetes Urlaubsgeld von dem Gehalt der Klägerin Abzug bringen durfte.
Die Beklagte beschäftigte die Klägerin seit dem 1. Februar 2018.
In dem in der Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) zwischen den Parteien vereinbarten schriftlichen Arbeitsvertrag vom 26. November 2018 ist unter § 3 geregelt, dass die Bezüge nachträglich am Ende des betriebsüblichen Entgeltzahlungszeitraums gezahlt würden.
Weiter heißt es dort unter "§ 5 Sonderzahlungen
Etwaige Sonderzahlungen zu Weihnachten, zum Urlaub oder aus anderen Anlässen sind jeweils einmalige, jederzeit widerrufliche freiwillige Leistungen des Arbeitgebers; ein Anspruch des Arbeitnehmers auf solche Leistungen oder auf eine bestimmte Höhe dieser Leistungen besteht auch im Falle wiederholter Gewährung nicht. ...
Etwaige Sonderzahlungen von mehr als EUR 150,00 sind in voller Höhe als Vorschuss sofort zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis durch Kündigung seitens des Arbeitnehmers oder durch eine von dem Arbeitnehmer veranlasste Kündigung des Arbeitgebers vor dem Ablauf des dritten auf die Zahlung der Sondervergütung folgenden Kalendermonats endet, sofern nicht anderslautende betriebliche Regelungen bestehen."
Mit dem Entgelt für Juni 2019 rechnete die Beklagte gegenüber der Klägerin ein Urlaubsgeld i.H.v. 789,75 EUR brutto ab und zahlte es an die Klägerin aus.
Das Arbeitsverhältnis endete infolge ordentlicher Kündigung der Klägerin zum 15. August 2019.
Die Beklagte erteilte der Klägerin Abrechnung für den August 2019. Neben dem monatlichen Entgelt gewährte sie eine Prämie an die Klägerin im Hinblick darauf, dass die Beschäftigungsfiliale über einen dreimonatigen Zeitraum ihr Umsatzziel erreicht hatte. Zugleich nahm sie einen Einbehalt wegen "Urlaubsgeld" in Höhe der für Juni als Urlaubsgeld gewährten Bruttozahlung vor.
Mit der Klage hat die Klägerin die Auszahlung dieses Einbehalts geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, die Klausel in § 5 des Arbeitsvertrags sei im Hinblick auf die Verknüpfung von freiwilligen und widerruflichen Leistungen unzulässig. § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag sei deshalb unklar, weil er auch andere Sonderzahlungen als solche nach Abs. 1 erfassen würde und damit in unzulässiger Weise solche, die wie die für August gewährte Prämie reinen Entgeltcharakter hätten. Außerdem hat die Klägerin sich auf Entreicherung und die Pfändungsfreigrenzen berufen. Sie hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 789,75 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.08.2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, § 5 Arbeitsvertrag sei keine Anspruchsgrundlage, sondern sehe lediglich generelle Regelungen für alle Arten von tatsächlichen über das Gehalt hinausgehenden Sonderzahlungen vor. Selbst wenn ein Urlaubsgeldanspruch bestünde, wäre dieser mit dem Rückzahlungsvorbehalt aus § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag belastet, dessen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Da das Urlaubsgeld nicht der Vergütung geleisteter Arbeit diene und die Bindungsfrist die von der Rechtsprechung aufgestellten Grenzen beachte, sei die Klausel insoweit wirksam. Da die Vereinbarung sprachlich abteilba...