Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung des Entschlusses der Parteien für Einordnung des Vertragstyps. Typologische Betrachtung bei Abgrenzung Arbeits- und Dienstvertrag. Tätigkeit eines Rechtsanwaltes als Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
1. Ergibt sich bei typologisch sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch eines freien Dienstverhältnisses möglicher Tätigkeit (hier als Rechtsanwalt und "Partner") im Wege der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen, dass die Vertragsparteien sich deutlich für den Vertragstyp des Arbeitsvertrages entschieden haben, ist diese Vertragstypenwahl regelmäßig bindend. Eine gerichtliche Korrektur anhand der praktischen Vertragsdurchführung findet hier in aller Regel nicht mehr statt. Damit ist automatisch auch der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten begründet (ebenso schon LAG Düsseldorf vom 10.12.2019 - 3 Ta 402/19).
2. Eine Ausnahme hiervon ist allenfalls denkbar, wenn sich aufgrund der Vertragspraxis zwingend ergäbe, dass die den Vertragstyp des Arbeitsverhältnisses festlegenden vertraglichen Vereinbarungen im Sinne einer falsa demonstratio von Beginn an von den Parteien tatsächlich gar nicht gewollt waren.
3. Auch im Rechtswegbestimmungsverfahren im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens hat das Landesarbeitsgericht über die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG zu entscheiden. Diese spezialgesetzliche und keine Ausnahme für einstweilige Rechtsschutzverfahren vorsehende Regelung verdrängt die ansonsten im Beschwerderecht Anwendung findenden Normen der §§ 78 Satz 1 ArbGG, 574 Abs. 1 Satz 2, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Normenkette
GVG § 17a Abs. 4 S. 3; ArbGG § 78; ZPO § 574 Abs. 1 S. 2, § 542 Abs. 2 S. 1; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a); BGB §§ 611, 611a; GewO § 106
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 30.04.2020; Aktenzeichen 8 Ga 27/20) |
Tenor
I.
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten vom 18.05.2020 gegen den Rechtswegbeschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.04.2020 - Az.: 8 Ga 27/20 - wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 24.192,06 € festgesetzt.
V.
IDie Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Mit eben diesem Beschluss, wegen dessen Begründung auf Blatt 8Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens über den Beschäftigungsanspruch des als Rechtsanwalt und "Partner" auf der Grundlage des schriftlichen Vertrages vom 23.05./11.06.2012 (Anlage Ast 1, Blatt 9 ff. der Akte) bei der Verfügungsbeklagten tätigen Verfügungsklägers, über seinen Anspruch auf Zugang zu den Geschäftsräumen und zu (s)einem dienstlichen Email-Account sowie über seinen Anspruch auf Freischaltung und Zugriff auf (s)eine dienstliche Mobilfunknummer und in diesem Zusammenhang vorab über den zulässigen Rechtsweg. Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 30.04.2020 unter I. in entsprechender Anwendung des § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.
2 ff. der Akte Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Düsseldorf den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.
Der Beschluss ist der Verfügungsbeklagten über ihre Prozessbevollmächtigten am 04.05.2020 zugestellt worden. Mit am 18.05.2020 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangener Beschwerdeschrift ihrer Prozessbevollmächtigten hat sie sofortige Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt.
Die Verfügungsbeklagte ist weiterhin der Ansicht, der Verfügungskläger sei kein Arbeitnehmer und das Arbeitsgericht daher nicht zuständig. Er sei aufgrund komplexer anderweitiger gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen in die partnerschaftlichen Strukturen der Berufsträger der Verfügungsbeklagten eingebunden und damit Partei in Regelwerken, die weit über ein Arbeitsverhältnis hinausgingen. Zwar müsse er sich innerhalb der partnerschaftlichen Strukturen abstimmen und sich im Rahmen der Regularien und Geschäftsgrundsätze bewegen, in der Art und Weise der Ausübung seiner Tätigkeit in zeitlicher und fachlicher Hinsicht sei er aber frei. Dass er wie alle anderen Partner auch seine Arbeitskraft einbringen solle, verstehe sich schon aus dem unternehmerischen Gesamtgedanken und mache ihn nicht zu einem Arbeitnehmer. Diesen Status begründe auch nicht die Übernahme von Zahlungen zu den Versorgungssystemen durch die Verfügungsbeklagte. Dass die Partner nicht einfach unabgestimmt Urlaub machen könnten, verstehe sich gleichfalls von selbst und berücksichtigte insbesondere die Mandanteninteressen. Alles das begründe kein Arbeitsverhältnis. Vielmehr sei der Kläger - da seine Tätigkeit als spezialisierter Partner auf höchster Qualifikationsstufe als solche typologisch nicht als typische Arbeitnehmertätigkeit angesehen werden könne, sondern ebenso, wenn nicht gar überwiegend selbständig ausgeübt werde - an die vertragliche Regelung gebunden, nach der die Parteien übereingekommen seien, dass zwischen ihnen ein Partner-Dien...