Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarung alternierende Telearbeit. Beendigungsklausel von Telearbeit. Alternierende Telearbeit und Versetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Vereinbarung in allgemeinen Arbeitsvertragsbedingungen, welche die Beendigung einer vereinbarten alternierenden Telearbeit für den Arbeitgeber voraussetzungslos ermöglicht und nicht erkennen lässt, dass dabei auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, ist wegen Abweichung von dem gesetzlichen Leitbild des § 106 Satz 1 GewO gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
2. Die Beendigung alternierender Telearbeit stellt regelmäßig eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dar, welche der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Dies gilt auch dann, wenn der Ortswechsel für das Arbeitsverhältnis typisch ist (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG), weil der Arbeitnehmer als Marktverantwortlicher seine Arbeit zu einem Großteil bei den Kunden erbrachte. Die Einbindung des Arbeitnehmers in den Betriebsablauf und die Aufgabenerfüllung ist auch bei teilweiser Telearbeit aufgrund von deren Besonderheiten eine völlig andere als ohne Telearbeit, so dass sich bei der Beendigung der Telearbeit das Bild der Tätigkeit grundsätzlich ändert.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1; BGB § 310 Abs. 4 S. 2; GewO § 106 S. 1; KSchG § 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; BetrVG § 5 Abs. 3-4, § 95 Abs. 3 Sätze 1-2; BGB §§ 242, 305, 305c Abs. 2, § 306 Abs. 2, § 307 Abs. 1 S. 1 Abs. 2, Abs. 2 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 01.04.2014; Aktenzeichen 2 Ca 7562/13) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 01.04.2014 - 2 Ca 7562/13 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird für die Beklagte betreffend den Ausspruch des Arbeitsgerichts zu 1) und 2) zugelassen.
Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung einer Vereinbarung über alternierende Telearbeit sowie den Widerruf einer Genehmigung zur Nebentätigkeit.
Der am 07.01.1956 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 15.01.1983 beschäftigt. Die Beklagte, welche mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigte, war eine überregional tätige Bank mit Sitz in E., die ihr Leistungsangebot exklusiv auf Unternehmer und Unternehmen ausgerichtet hatte. Sie stellte mittelständische Unternehmen aus dem J.-, Handels- und Dienstleistungsgewerbe in Deutschland und Europa Kapitalmarkt- und Beratungsdienstleistungen, Risikomanagement und Kredite zur Verfügung. In Deutschland unterhielt sie sechs Niederlassungen, darunter die Niederlassung Nordrhein-Westfalen in E.. Ein Betriebsrat war gebildet.
Die Einstellung des Klägers erfolgte auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 08.12.1982 als Mitarbeiter für das Kreditgeschäft. In diesem Vertrag hieß es u.a.:
"Weiterhin dürfen wir Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie verpflichtet sind, Ihre volle Arbeitskraft für unsere Bank einzusetzen und ohne unsere ausdrückliche Zustimmung keine Nebenbeschäftigung zu übernehmen. ...
Eine Um- oder Versetzung an andere Stellen innerhalb der Bank entsprechend Ihren Kenntnissen und Fähigkeiten behalten wir uns vor. ..."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Arbeitsvertrag Bezug genommen. Der Kläger wurde im Jahr 1986 zum Teamleiter befördert. Die Parteien schlossen am 25.08.2000 einen Ergänzungsvertrag zum Arbeitsvertrag über alternierende Telearbeit, die vom 01.09.2000 und bis zum 30.09.2001 befristet war. Außerbetrieblicher Arbeitsort war der damalige Wohnsitz des Klägers in C.. Betrieblicher Arbeitsort war die Niederlassung der Beklagten in E.. Der Vertrag sah einen Anteil von 40 % häuslicher Telearbeit vor. Die Telearbeit wurde über den 30.09.2001 hinaus fortgesetzt. Mit E-Mail vom 25.03.2002 teilte die Beklagte unter anderem dem Kläger mit, dass der Anteil der Telearbeit an der Regelarbeitszeit bei den Marktverantwortlichen durchschnittlich 11 % betrug. Weiter hieß es in der Mitteilung, dass eine Erhöhung des Telearbeits-Nutzungsgrades unrealistisch sei, weil die Marktverantwortlichen einen Großteil der Arbeitszeit bei den Kunden verbringen würden. Der Kläger gehörte zu den marktverantwortlichen Personen.
Seit dem Jahr 2004 übte der Kläger eine Nebentätigkeit in dem Beirat der H. K. GmbH aus. Die H. K. GmbH war ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz in T. und stellt Isolatoren und Isolierteile für die Elektro- und Bahnindustrie her. Sie war kein Kunde der Beklagten und stellte infolge eines Jahresumsatzes von unter 50 Millionen Euro auch keinen Zielkunden der Beklagten dar. Mit Beschluss vom 15.06.2004 genehmigte der Vorstand der Beklagten die Übernahme des Beiratsmandats bei der H. K. GmbH. Der Beirat kam regelmäßig viermal jährlich zusammen. Die Sitzungen des Beirates der H. K. GmbH fanden während der regulären Arbeitszeit des Klägers bei der Beklagten statt. Darüber bestand zwischen den Parteien zunächst Einverständnis.
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