Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustandekommen eines zur gerichtlichen Feststellung nach § 278 Abs. 6 ZPO vorgesehenen Vergleichs
Leitsatz (amtlich)
1. Bestätigen die Prozessbevollmächtigten der Parteien nach fernmündlich getroffener Einigung einander durch Briefwechsel einen gleichlautend ausformulierten Vergleichstext, ist jedenfalls dann, wenn die beiderseits erstrebte gerichtliche Feststellung nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO nicht zum Ziel hat, dem Vergleichsgläubiger einen Vollstreckungstitel zu verschaffen, regelmäßig ein (außergerichtlicher) Vergleich zustande gekommen (Abgrenzung zu BAG, Urteil vom 16.01.1997, AP Nr. 14 zu § 779 BGB).
2. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit der Anfechtung eines Prozessvergleichs, kann der Anfechtende seine Anfechtungserklärung ausnahmsweise widerrufen, wenn hierdurch lediglich der Zustand, dessen Fortgeltung der Anfechtungsgegner reklamiert, wiederhergestellt wird.
3. Der Arbeitnehmer ist im Streit darüber, ob sein Arbeitsverhältnis nach § 613 a Abs. 1 BGB auf einen Betriebserwerber übergegangen oder aufgrund Widerspruchs beim bisherigen Arbeitgeber verblieben ist, rechtlich nicht gehindert, sich mit dem bisherigen Arbeitgeber auf eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs zu verständigen. Hierin liegt keine zu Lasten des Betriebserwerbers wirkende (unzulässige) „Rücknahme” des Widerspruchs.
Normenkette
BGB §§ 154, 613a, 779; ZPO § 278 Nr. 6, § 794
Verfahrensgang
ArbG Wesel (Urteil vom 17.01.2008; Aktenzeichen 5 Ca 2466/07) |
Tenor
UnterAbänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wesel vom17.01.2008 wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 27.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2007 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A. Die Parteien streiten darum, ob zwischen ihnen ein außergerichtlicher Vergleich, der die Beklagte zu einer Abfindungszahlung von Euro 27.000,00 verpflichtet, zustande gekommen ist.
Die Klägerin führte ab Herbst 2005 vor dem Arbeitsgericht Wesel (Gesch.-Nr. 6 Ca 3465/05 = 6 Ca 445/07 = 5 Ca 1235/07) gegen die Beklagte und gegen die Fa. C. (als Betriebsübernehmerin) einen Bestandsschutzprozess. Durch Prozessvergleich vom 29.03.2006 (Bl. 14 f. der Beiakte) einigten sich die Beteiligten auf den Übergang des ungekündigten Arbeitsverhältnisses zum 01.10.2005 von der Beklagten auf C..
Im Oktober 2006 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf C.. Mit Schreiben vom 17.01.2007 erklärte sie die Anfechtung des Prozessvergleichs vom 29.03.2006 wegen arglistiger Täuschung über die finanzielle Situation der Fa. C.. Mit Schriftsatz vom 16.03.2007 beantragte sie gegenüber der Beklagten und dem Insolvenzverwalter der Fa. C. die gerichtliche Feststellung, dass das Verfahren nicht durch den Vergleich vom 29.03.2006 erledigt worden sei.
In der Folgezeit kam es zwischen der Klägerin und der Beklagten zu außergerichtlichen Verhandlungen mit dem Ziel, den nach der Vergleichsanfechtung fortgeführten Rechtssstreit durch einen Abfindungsvergleich (Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses infolge Betriebsübergangs zum 30.09.2005 – Zahlung eines Einmalbetrages über den T.-Notfallfonds) beizulegen. Mit Schriftsatz vom 25.06.2007 bestand der Insolvenzverwalter der Fa. C. auf Durchführung des anberaumten Kammertermins am 28.06.2007 und vertrat die Auffassung, dass ein Vergleich zwischen den Parteien als Vertrag zu seinen Lasten anzusehen und ohne seine Zustimmung unwirksam sei. In einem Telefonat am 27.06.2007 verständigten sich gleichwohl die Prozessbevollmächtigten der Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.2005 gegen eine von der Beklagten zu leistende Abfindung in Höhe von Euro 27.000,00 brutto. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unterrichtete das Arbeitsgericht mit Fax vom selben Tag (Bl. 368 GA) über den Vergleichsinhalt und fügte an:
„Die Vertreter der T. AG werden den Termin vom 28.06.2007 nicht wahrnehmen. Aus diesem Grunde wird darum gebeten, den Vergleich entsprechend dem § 278 Abs. 6 ZPO den Parteien zu bestätigen.”
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten erklärte seinerseits mit Schriftsatz vom 27.06.2007 (Bl. 374 f. GA) unter Beifügung des ihm ebenfalls zugeleiteten Faxes der Gegenseite vom 27.06.2007 das Einverständnis mit dem Vergleichsvorschlag der Klägerin und leitete seinen Schriftsatz unmittelbar sowohl dem Gericht als auch dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu. In einem weiteren Schriftsatz vom 27.06.2007 (Bl. 373 GA) trat er der Auffassung entgegen, dass die Zustimmung des Insolvenzverwalters der Fa. C. für einen wirksamen Vergleichsabschluss erforderlich sei.
In der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 28.06.2007 traten lediglich die Vertreter der Beklagten und der Fa. C. auf. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nahm später seinen Prozessantrag vom 16.03.2007 zurück.
Die Klägerin verlangt mit der ...