Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsgegenklage. Rechtsschutzinteresse. Präklusion
Leitsatz (amtlich)
1. Das Rechtsschutzinteresse für die Vollstreckungsgegenklage entfällt, wenn der Vollstreckungsgegenbeklagte (Gläubiger) eine Zwangsvollstreckung unzweifelhaft nicht mehr beabsichtigt.
2. Zur Präklusion des Erfüllungseinwandes, wenn der Arbeitgeber bereits vor seiner (uneingeschränkten) Verurteilung zur Bruttolohnzahlung Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hatte.
Normenkette
ZPO § 767; EStG § 38; SGB IV §§ 28g, 28e
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 02.03.2006; Aktenzeichen 7 Ca 8299/04) |
Tenor
Die Berufungen des Klägers und des Beklagten gegen das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom02.03.2006 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 97,7 % und der Beklagte zu 2,3 %.
Hinsichtlich der Kosten erster Instanz bleibt es bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A. Die Parteien streiten im Berufungsverfahren darüber, ob dem Kläger gemäß § 767 ZPO Einwendungen gegen eine titulierte Forderung des Beklagten zustehen.
Der Beklagte erwirkte gegen den Kläger am 20.08.2001 beim Arbeitsgericht Düsseldorf ein rechtskräftiges Urteil über DM 209.000,00 brutto (= Euro 106.860,00) nebst Zinsen wegen rückständiger Arbeitsvergütung aus dem Zeitraum Dezember 1999 bis Juni 2001.
Der Kläger hatte bis Mitte 2001 an die Einzugsstelle (DAK) auf die geschuldete Vergütung Gesamtsozialversicherungsbeiträge gezahlt, wobei der Arbeitnehmeranteil insgesamt Euro 14.830,96 ausmachte. Im Oktober 2001 zahlte der Kläger an die Einzugsstelle (DAK) weitere Euro 827,93. Im August 2002 führte der Kläger an das Finanzamt Euro 15.503,81 als Lohnsteuer 2000 ab. Dem Beklagten flossen Zahlungen auf seine Vergütungsansprüche 2000 erst in den Jahren 2003 und 2006 zu. In einem vom Beklagten geführten Anfechtungsprozess, in dem dem Kläger der Streit verkündet war, verurteilte das Landgericht Berlin am 16.04.2003 die Mutter des Klägers, die Zwangsvollstreckung in ihren hälftigen Miterbenanteil (Miteigentum an einer ETW in E.-P., L.-G.-Ring 7) zu dulden. Zur Abwendung der Zwangsversteigerung erwarb der Bruder des Klägers mit notariellem Kaufvertrag vom 10.03.2006 vom Beklagten dessen titulierte Forderung gegen Zahlung von Euro 101.146,01. In dem Vertrag wird seitens des Beklagten der Bestand der (abgetretenen) Forderung in dieser Höhe gewährleistet und auf die vorliegende Vollstreckungsgegenklage verwiesen.
Durch Schlussurteil vom 02.03.2006 hat das Arbeitsgericht Düsseldorf der Vollstreckungsgegenklage in Höhe von Euro 827,93 entsprochen und sie im übrigen abgewiesen.
Mit der Berufung begehrt der Kläger weiterhin, dass wegen der abgeführten Lohnsteuer (Euro 15.503,81) und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (Euro 14.830,96), jeweils nebst Zinsen, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 20.08.2001 für unzulässig zu erklären sei.
Der Beklagte will mit seiner Berufung die Vollstreckungsgegenklage insgesamt abgewiesen wissen. Nachdem der Kläger als Streitverkündeter im Anfechtungsprozess vor dem Landgericht Berlin. wegen des im Oktober 2001 an die Einzugsstelle (DAK) abgeführten Betrages von Euro 827,93 den Erfüllungseinwand erhoben habe, sei er gemäß § 74, § 68 ZPO im vorliegenden Prozess mit diesem Einwand ausgeschlossen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
B. Beide Berufungen sind unbegründet.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.03.2006 hat keinen Erfolg. Soweit er die vom Arbeitsgericht abgewiesene Vollstreckungsklage weiterverfolgt hat, ist das Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsgegenklage entfallen, nachdem die titulierte Forderung des Beklagten gemäß notariellem Kaufvertrag vom 10.03.2006 auf den Bruder des Klägers übergegangen ist.
a) Das Rechtsschutzinteresse für die Vollstreckungsgegenklage liegt vor, sobald und solange eine Zwangsvollstreckung ernstlich droht. Die Vollstreckungsgegenklage bleibt regelmäßig zulässig, bis der Gläubiger (Vollstreckungsgegenbeklagter) den Titel dem Schuldner (Vollstreckungsgegenkläger) ausgehändigt hat. Das Rechtsschutzinteresse entfällt ausnahmsweise dann, wenn seitens des Vollstreckungsgegenbeklagten eine Zwangsvollstreckung nicht droht, weil sie z. B. unzweifelhaft nicht (mehr) beabsichtigt ist (OLG Köln, Urteil vom 30.08.2001, FamRZ 2002, 555, Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 767 Rz. 8, Musielak//Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 767 Rz. 18). Diese Konstellation kann sich ergeben, wenn der Vollstreckungsgegenbeklagte unter keinen Umständen mehr Gläubiger der titulierten Forderung sein kann und alles dagegen spricht, dass er weiterhin aus dem (auf den Zessionar noch nicht umgeschriebenen) Titel vollstrecken wird (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.1992, ZIP 1992, 850). Nach Lage der Dinge droht dem Kläger nicht mehr, dass der Beklagte aus dem Urteil vom 20.08.2001 vollstreckt....