Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine gesetzliche Rechtsgrundlage für "Brückenteilzeit im Blockmodell". Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen. Keine Aussetzung des Grundsatzes "Ohne Arbeit kein Lohn" bei vereinbarten dreizehn Monatsgehältern und 40-Stunden-Woche. Strenge Anforderungen an den Verfügungsgrund beim einstweiligen Rechtsschutz auf Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
1. Für eine zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit (§ 9a TzBfG) als "Brückenteilzeit im Blockmodell" (hier: Freistellungsphase Januar bis März, Arbeitsphase April bis Dezember) mit entsprechend verringerter, aber monatlich verstetigter Vergütung auch während der Monate vollständiger Freistellung (0-Stundenwoche) fehlt eine gesetzliche Anspruchsgrundlage.
2. Regelt ein Arbeitsvertrag ein "jährliches Entgelt" in bezifferter Höhe, dessen Zahlung in 13 Monatsgehältern in ebenfalls bezifferter Höhe erfolgt, und eine durchschnittliche Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden, folgt daraus nicht, dass die Vergütung unabhängig von den erbrachten Arbeitsleistungen zu zahlen wäre und sich die Parteien von dem Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn" hätten lösen wollen.
3. Einstweiliger Rechtsschutz auf Verringerung und Verteilung von Arbeitszeit ist trotz seiner Erfüllungswirkung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die Wertung des § 894 ZPO steht dem nicht generell entgegen und seine Gewährung ist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes auch geboten. Der Verfügungsgrund erfordert aber, dass der Arbeitnehmer seinerseits Gründe dafür darlegen kann, dass er auf die Arbeitszeitreduzierung dringend angewiesen ist. Der Arbeitgeber kann auch im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens entgegenstehende betriebliche Gründe geltend machen. An Darlegung und Glaubhaftmachung von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund sind strenge Anforderungen zu stellen.
Leitsatz (redaktionell)
Willenserklärungen und Verträge sind nach §§ 133 und 157 BGB so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben, unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und vom Wortlaut ausgehend, verstehen mussten. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.
Normenkette
TzBfG § 9a; BGB § 814; ZPO §§ 894, 940; TzBfG § 8 Abs. 2; BGB §§ 133, 157, 305 Abs. 1, § 305c Abs. 2, § 310 Abs. 3 Nr. 2, § 614
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 04.11.2019; Aktenzeichen 4 Ga 3/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 04. November 2019 - 4 Ga 3/19 - abgeändert.
Die Verfügungsklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Verfügungsklägerin zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Vereinbarung von Brückenteilzeit (§ 9a TzBfG) mit der Zahlung eines jährlich entsprechend verringerten, aber verstetigten Monatsentgelts auch während der Zeit der Freistellung.
Die am ... geborene und verheiratete Verfügungsklägerin ist seit dem ... bei der Verfügungsbeklagten im Rahmen einer 40-Stundenwoche als Kundenberaterin zu einer durchschnittlichen monatlichen Vergütung von zuletzt ... € brutto beschäftigt. Der Anstellungsvertrag vom ... 2008 regelt hinsichtlich Tätigkeit, Vergütung und Arbeitszeit (Anlage ASt 1 - Bl. 64 d.A.):
"§ 2 Arbeitsentgelt, Einmalzahlungen, Auslagenerstattung
1. Als Vergütung der in § 1 genannten Tätigkeit erhält ... [die Verfügungsklägerin] ein jährliches Entgelt in Höhe von
Euro ...
brutto (in Worten: ...). Die Zahlung erfolgt entsprechend den jeweils geltenden betrieblichen Regelungen in 13 Monatsgehältern in Höhe von
Euro ...
(in Worten: ...). Das 13. Monatsgehalt wird mit den jeweiligen Novemberbezügen ausgezahlt.
...
§ 3 Arbeitszeit
Die Arbeitszeit richtet sich nach den jeweiligen betrieblichen Belangen. Dabei wird eine durchschnittliche Regelarbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich vereinbart."
Mit Schreiben vom 31. Mai 2019 (Anlage ASt 3 - Bl. 73 d.A.) stellte die Verfügungsklägerin bei der Verfügungsbeklagten einen "Antrag auf Brückenteilzeit". Darin führte die Verfügungsklägerin aus:
"hiermit stelle ich einen Antrag auf zeitlich begrenzte Verringerung meiner Arbeitszeit gemäß § 9a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 TzBfG in Verb. mit § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG.
Die Erfordernisse erfülle ich durch mein seit über 6 Monaten bestehendes Arbeitsverhältnis mit der ... [Verfügungsbeklagten]. Ebenfalls beschäftigt die ... [Verfügungsbeklagte] mehr als 46 Mitarbeiter.
- Meine Brückenteilzeit soll vom 01.01.2020 bis 31.12.2022 gelten [.]
- Meine derzeitige jährliche Arbeitszeit soll um 25 % reduziert werden [.]
Um unternehmerische Härten zu vermeiden und meinen persönlichen Bedürfnissen entgegenzukommen [,] schlage ich eine blockweise Anwesenheit meiner Person mit entsprechenden Ruhezeiten wie folgt vor.
Blockweise Anwesenheit im Unternehmen:
- 9-monatliche Tätigkeit in den Monaten April ... [bis] ... Dezember jede...