Leitsatz (redaktionell)
I. Dem Europäischen Gerichtshof werden gem Art 177 EWG-Vertrag (juris: EWGVtr) folgende Fragen mit dem Ersuchen um Entscheidung vorgelegt:
1. Bezwecken die Bestimmungen des Art 2 der "Richtlinie über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen" (RL 91/533/EWG (juris: EWGRL 533/91) - ABl EG Nr L 288 v 18.10.1991, S 32) im Hinblick auf die in der Präambel der sog Nachweisrichtlinie geäußerten Zielsetzung, "die Arbeitnehmer besser vor etwaiger Unkenntnis ihrer Rechte zu schützen und den Arbeitsmarkt transparenter zu gestalten", eine Verbesserung der Beweislast zugunsten des Arbeitnehmers, indem der Mindestkatalog des Art 2 Abs 2 RL 91/533/EWG (juris: EWGRL 533/91) sicher stellen will, daß der Arbeitnehmer in den dort aufgeführten Punkten bei der Durchsetzung seiner vertraglichen Ansprüche in arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen nicht in Beweisnot gerät?
2. Falls die Frage 1 bejaht wird: Sind die Bestimmungen aus Art 2 Abs 2 lit c ii) RL 91/533/EWG (juris: EWGRL 533/91) gegenüber dem privatrechtlich als Arbeitgeber handelnden Staat seit dem 01.07.1993 unmittelbar anwendbar, weil
- die Bundesrepublik Deutschland die Nachweisrichtlinie bis zum 30.06.1993, dem letzten Tage der
Umsetzungsfrist, nicht (vollständig) umgesetzt hat,
- die genannten Bestimmungen der Nachweisrichtlinie inhaltlich unbedingt und damit ohne weiteren
Umsetzungsakt anwendungsfähig sind,
- die Nachweisrichtlinie dem einzelnen Arbeitnehmer Rechte gegenüber dem als Arbeitgeber handelnden Staat einräumt.
3. Fall die Frage 2 bejaht wird: Ist unter den nach Art 2 Abs 2 lit c ii) RL 91/533/EWG (juris: EWGRL 533/91) vom Arbeitgeber mitzuteilen - den Angaben über die "Art oder Kategorie seiner Stelle" die Wertigkeit einer Stelle idS zu verstehen, daß der Arbeitnehmer, wenn seine Eingruppierung nach der tariflichen Vergütungsordnung zwingend die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale einer bestimmten Fallgruppe einer Vergütungsgruppe voraussetzt, aus der mitgeteilten Einstufung in eine bestimmte Vergütungs- und Fallgruppe ersehen können muß, ob er an einem Bewährungs- und/oder Fallgruppenaufstieg teilnimmt?
4. Fall die Frage 3 bejaht wird: Entfaltet die Mitteilung nach Art 2 Abs 2 lit c ii) RL 91/533/EWG (juris: EWGRL 533/91) eine solche Bindungswirkung, daß sich der Arbeitgeber an der dem Arbeitnehmer mitgeteilten Wertigkeit der Stelle so lange festhalten lassen muß, bis er den Nachweis der fehlerhaften Eingruppierung erbracht hat, oder wenigstens so lange, wie er diesem nicht - etwa in Form einer Arbeitsplatzbewertung - schlüssig darlegt, daß er ihn irrtümlich fehlerhaft eingestuft oder daß sich die Wertigkeit der Tätigkeit im Laufe der Zeit oder durch Tarifänderung vermindert hat?
5. Falls die Frage 4 bejaht wird: Ist die deutsche Umsetzung der Regelung des Art 9 Abs 2 RL 91/533/EWG (juris: EWGRL 533/91) durch das Nachweisgesetz vom 20.07.1995 (BGBl I S 946), wonach die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Aushändigung einer Nachweismitteilung an den Arbeitnehmer bei einem bereits bei Inkrafttreten des Nachweisgesetzes bestehenden Arbeitsverhältnis dann entfällt, soweit eine früher ausgestellte Niederschrift oder ein schriftlicher Arbeitsvertrag die erforderlichen Angaben enthält (§ 4 Satz 2 NachwG), mit der Folge als gemeinschaftskonform anzusehen, daß diese älteren Nachweismitteilungen, die den Anforderungen der umgesetzten bzw mangels Umsetzung unmittelbar anwendbaren Nachweisrichtlinie genügen, weiterhin mit der Folge Gültigkeit haben, daß der Arbeitgeber dann, wenn er sich hierzu nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Nachweisrichtlinie durch eine neuere Nachweismitteilung - hier: Vergütungsmitteilung im Prozeß - in Widerspruch setzt, die inhaltliche Richtigkeit der neueren Mitteilungen beweisen muß?
Orientierungssatz
Das Verfahren wird beim EuGH unter dem Az: C-255/96 geführt.
Fundstelle
ArbuR 1996, 318-319 (L1-5)
Rechtszug:
anhängig EuGH C-225-/96
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