Entscheidungsstichwort (Thema)
Alkoholsucht. personenbedingte. verhaltensbedingte Kündigungsgründe. Nachschieben von Kündigungsgründen. Betriebsratsanhörung
Leitsatz (redaktionell)
Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat erkennbar nur zu einer personenbedingten Kündigung wegen Alkoholkrankheit des Arbeitnehmers angehört, so kann er die Kündigung nicht nachträglich im gerichtlichen Verfahren als verhaltensbedingte Kündigung qualifizieren.
Normenkette
BGB § 626; BetrVG § 102
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Urteil vom 01.08.2006; Aktenzeichen 7 Ca 1947/06) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 01.08.2006 – 7 Ca 1947/06 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigung der Beklagten beendet ist.
Die am 11.12.13xx geborene, nicht verheiratete Klägerin ist seit dem 01.07.1982 als Metallarbeiterin mit einem Bruttomonatslohn von zuletzt 2.400,00 EUR bei der Beklagten tätig. Diese beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Es besteht ein Betriebsrat. Seit dem Jahre 2000 ist die Klägerin alkoholabhängig.
Mit Schreiben vom 08.01.2001, 12.01.2001 und 07.07.2003 erteilte die Beklagte der Klägerin Abmahnungen wegen kurzfristiger Inanspruchnahme von Freischichten und Verletzung der Anzeige- und Nachweispflicht bei Arbeitsunfähigkeit. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 15.05.2006 vorgelegten Kopien (Bl. 35, 36, 38 d.A.) Bezug genommen.
Nach Entbindung des Werkarztzentrums W4xxxxxxx-M3xxx e.V. von der Schweigepflicht im Hinblick auf eine Alkoholerkrankung wurde die Klägerin am 30.07. und 01.10.2003 werkärztlich untersucht. Wegen des Ergebnisses der Untersuchung wird auf das Schreiben des D2. K3xxxxx an die Beklagte vom 02.10.2003 (Bl. 41 d.A.) Bezug genommen.
In einem Gespräch am 09.10.2003 (Bl. 43 d.A.) wurde die Klägerin zu einer Therapiemaßnahme zur Vermeidung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgefordert.
Mit Schreiben vom 22.04.2004 (Bl. 44 d.A.) erteilte die Beklagte der Klägerin erneut eine Abmahnung mit der Begründung, diese habe unentschuldigt gefehlt.
Mit Schreiben vom 29.04.2004 kündigte sie das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.10.2004. Die Klägerin wendete sich gegen diese Kündigung mit einer beim Arbeitsgericht Dortmund unter dem Aktenzeichen 9 Ca 3090/04 geführten Klage. Auf Vorschlag des Gerichts einigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem 31.10.2004. Die Beklagte verpflichtet sich, die Klägerin unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit zu unveränderten Arbeitsbedingungen wieder einzustellen, sofern sie bis zum 31.10.2006 den erfolgreichen Abschluss einer Alkoholentwöhnungstherapie durch ärztliches Attest eines Facharztes oder des Werkarztzentrums nachwies.
Die Beklagte stellte die Klägerin entsprechend der gütlichen Einigung zum 01.03.2005 wieder ein.
Für die Zeit vom 17.03.2006 bis zum 21.03.2006 gewährte die Beklagte der Klägerin nach deren Vortrag Urlaub. Nach Behauptung der Beklagten hatte sie am 17.03.2006 und 20.03.2006 Urlaub. Vom 21.03.2006 bzw. 22.03.2006 bis zum 23.03.2006 war sie arbeitsunfähig krank, ohne eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Am 23.03.2006 wurde sie nach einem Rückfall in die Alkoholabhängigkeit in die Westfälische Klinik D4xxxxxx eingeliefert. Der stationäre Aufenthalt dauerte bis zum 05.04.2006. Die Klägerin war anschließend bis zum 16.10.2006 arbeitsunfähig krank. Seit dem 10.08.2006 nimmt sie an einer ambulanten Psychotherapie teil.
Mit Schreiben vom 27.03.2006 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich fristlos und vorsorglich ordentlich fristgemäß zum nächstzulässigen Kündigungstermin zu kündigen. Zur Begründung gab sie Folgendes an:
„…
Frau K2xxxxx war vom 1.07.82 bis 31.10.2004 bei uns beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitsgerichtlichen Vergleich wegen Alkoholabhängigkeit. Nach erfolgreicher Therapie wurde das Arbeitsverhältnis vom 1.03.05 fortgesetzt. Seit dem 17.03.06 fehlt Frau K2xxxxx aus unterschiedlichen Gründen. Aufgrund der Aussagen von H2. M4xxxxxx und H2. L3xxxx K2xxxxx ist von einem Rückfall auszugehen. Für Freitag, den 31.03.06 ist ein Untersuchungstermin im W5x terminiert.
…”
Mit Schreiben vom 29.03.2006 (Bl. 81 d.A.) widersprach der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung mit folgender Begründung:
„…
- Auf Grund der besonderen Umstände und der Tatsache, dass die Mitarbeiterin J1xxx K2xxxxx dem Unternehmen L1x U1xx seit dem 01.07.1982 angehört, stellt die Maßnahme einer außerordentlichen Kündigung eine unverhältnismäßige Härte dar.
- Weiterhin haben wir die Feststellung getroffen, das die Mitarbeiterin seit einem Jahr nach Ihrer erfolgreichen Therapie, keinerlei Gründe zum Anlass gab, mit Ihrer Arbe...