Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltung des § 613a BGB in Insolvenzverfahren – Definition der „alsbaldigen” Wiedereröffnung – Passivlegitimation für Wiedereinstellungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Art. 4a RL 98/50/EG gelten die Art. 3 und Art. 4 RL 77/187/EWG generell nicht für Übergänge von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen, bei denen gegen den Veräußerer unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle, worunter auch ein von einer zuständigen Behörde ermächtigter Konkursverwalter verstanden werden kann, ein Konkursverfahren oder ein entsprechendes Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet wurde, „sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes vorsehen”. Damit stellt sich die Frage, ob die Vorschrift des § 613a Abs. 4 BGB bei einer „Übertragenden Sanierung” in der Insolvenz weiterhin noch gilt oder auf solche Vorgänge nicht (mehr) anwendbar ist.
2. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu berücksichtigen, daß § 613a BGB, der – auch wenn dies vor Schaffung des § 324 UmwG nicht vollständig gelungen war – die nationale Umsetzung der alten Betriebsübergangsrichtlinie RL 77/187/EWG darstellt. Über § 128 InsO ist die Anwendung des § 613a BGB in der Insolvenz vom Gesetzgeber vorausgesetzt und damit anerkannt worden, so daß diese Vorschrift – trotz der Regelung des Art. 4a RL 98/50/EG – auch unter der neuen Betriebsübergangsrichtlinie für Betriebsveräußerungen in der Insolvenz fortgilt. Allerdings werden die Gerichte für Arbeitssachen die Vorschriften der §§ 613a BGB, 128 InsO im Lichte des Art. 4a RL 98/50/EG, der zur Erhaltung verbleibender Arbeitsplätzen geschaffen worden ist, sanierungsfreundlich und damit sanierungsfördernd auslegen müssen.
3. Ein bevorstehender Betriebsübergang kann nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 613a Abs. 4 BGB führen, wenn die den Betriebsübergang ausmachenden Tatsachen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits feststehen oder zumindest „greifbare” Formen angenommen haben (BAG, Urt. v. 18.03.1999 – 8 AZR 306/98, NZA 1999, 706 = ZInsO 1999, 483 = ZIP 1999, 1223). Deshalb spricht bei alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebs durch einen Erwerber eine tatsächliche Vermutung gegen die ernsthafte Absicht des Veräußerers, den Betrieb endgültig stillzulegen. In Anbetracht der gesetzlichen Höchstkündigungsfrist in der Insolvenz von drei Monaten zum Monatsende (§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO) kann von einer „alsbaldigen” Wiedereröffnung, die auf einen Betriebsübergang rückschließen ließe, keine Rede sein, wenn ein (zunächst einmal) geschlossener Betrieb erst drei Monate nach Ablauf dieser Höchstfrist wiedereröffnet wird.
4. Ob Wiedereinstellungsanspruch im Fall des im Konkursverfahren vollzogenen Betriebsübergangs im Hinblick auf die Regelungen des Art. 4a Abs. 1 RL 98/50/EG überhaupt noch anzuerkennen ist (so LAG Hamm, Urt. v. 11.11.1998 – 2 Sa 1111/98, InVo 1999, 384 = NZA-RR 1999, 576 = ZInsO 1999, 302), kann vorliegend offen bleiben. Kommt es nach Zugang der Kündigung entgegen der ursprünglich beabsichtigten Betriebsstillegung zu einem Betriebsübergang auf einen neuen Betriebsinhaber, so kann der Wiedereinstellungsanspruch nur gegen den Übernehmer gerichtet werden.
Normenkette
RL 77/187/EWG Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1; EGRL 50/98 Art. 4a; BGB § 613a Abs. 4; KSchG § 1 Abs. 2; InsO § 113 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 20.05.1999; Aktenzeichen 5 Ca 37/99) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 20.05.1999 (5 Ca 37/99) wird im Haupt- und Hilfsantrag zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.960,00 DM = 8.160,22 [Egr] festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Beklagten sowie um einen Wiedereinstellungsanspruch der Klägerin.
Der Beklagte ist durch Beschluß des AG Gelsenkirchen vom 01.12.1998 (5 N 555/98) zum Konkursverwalter über das Vermögen der T… B…- und H…………………………GmbH (Gemeinschuldnerin) bestellt worden. Die Gemeinschuldnerin hatte ihren Hauptsitz in B……… und Niederlassungen in B…, B…, D…………, G……und H…… An diesen sechs Standorten betrieb sie Baumärkte und beschäftigte bundesweit ca. 200 Mitarbeiter. Ein Betriebsrat ist in keinem der Baumärkte gewählt worden.
Die am 05.05.1958 geborene Klägerin wurde von der Gemeinschuldnerin mit Wirkung vom 12.02.1979 als Einzelhandelskauffrau eingestellt. Ihr monatliches Gehalt belief sich zuletzt auf ca. 2.600,00 DM brutto.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen i.d.F. vom 20.09.1996 kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung vom 10.03.1997 (BAnz. Nr. 55 v. 04.04.1997, S. 4478) Anwendung. Für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen ist in § 11 MTV-Einzelhandel NW unter anderem folgendes bestimmt:
(6) Für die Kündigung von Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern gilt eine Grundkün...