Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckung bei Verbraucherinsolvenz
Leitsatz (amtlich)
Im Fall der Sicherungsabtretung einer Lohnforderung wegen rückständigen Unterhalts kann nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens die Einzelzwangsvollstreckung in den nach § 850 d ZPO erweitert pfändbaren Bereich nicht mehr betrieben werden. Es handelt sich vielmehr um eine Insolvenzforderung, für die § 114 I InsO gilt.
Normenkette
InsO §§ 38, 40, 141 I; ZPO § 850d
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Urteil vom 30.03.2010; Aktenzeichen 3 Ca 660/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 30.03.2010 –3 Ca 660/09 –wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht in Anspruch.
Der Kläger ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Bei der Beklagten ist Herr F1-J1 B1 als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Da dieser in der Zeit vom 01.06.2006 bis 30.11.2006 keinen Unterhalt an seine damals von ihm getrennt lebende Ehefrau leistete, erbrachte der Kläger an die damalige Ehefrau des Herrn B1 für den in Frage stehenden Zeitraum Leistungen in Höhe von 3.570,– EUR. Durch Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Ahaus vom 22.11.2006 –10 F 396/06 –wurde der Schuldner verpflichtet, diesen Betrag an den Kläger zurückzuzahlen. Durch vom Kläger vorformulierte Erklärung vom 26.01.2007 verpflichtete sich der Schuldner, diesen Betrag ab dem Monat Dezember 2006 in monatlichen Raten von 100,– EUR zu tilgen. Die Raten waren jeweils am 15. eines jeden Monats an den Kläger zu überweisen. Die Erklärung des Schuldners enthält darüber hinaus die folgende Bestimmung:
„4. Lohnabtretung:
Falls ich mit der Zahlung einer Rate mehr als einen Monat in Verzug komme, wird der gesamte Rückstand in einer Summe sofort fällig. Für diesen Fall trete ich hiermit meinen
- Lohn- und Gehaltsansprüche gegen meinen jeweiligen Arbeitgeber,
…
an den Kreis B2 –Fachbereich Soziales –ab.
Weil es sich hier um Unterhaltsansprüche handelt, sind die pfändbaren Beträge nach den Vorschriften des § 850 d Zivilprozessordnung (ZPO) zu berechnen.
Der jeweilige Arbeitgeber, &… wird hiermit ermächtigt, die nach § 850 d ZPO pfändbaren Beträge einzubehalten und an den Kreis B2 zu überweisen.”
Zum Inhalt der Erklärung im Einzelnen wird auf Bl. 7 –7 R d.A. Bezug genommen.
Die vom Schuldner zu leistenden Raten wurden in der Folgezeit entsprechend der Aufstellung des Klägers Bl. 287 d.A. vom Arbeitsentgelt des Schuldners einbehalten und durch die Beklagte an den Kläger ausgezahlt. Dies geschah auf der Grundlage eines Datenträgeraustausches durch Banküberweisungen. Im Rahmen des Datenträgeraustausches wird ein Abrechnungsmonat angeführt, der auch auf dem Kontoauszug des Klägers über den Eingang der Zahlung erscheint. Zu den Einzelheiten der Kontoauszüge des Klägers wird auf Bl. 297 bis 312 d.A., hinsichtlich der Angaben im Datenträgeraustausch auf Bl. 396 –397 d.A. Bezug genommen.
Am 11.09.2008 wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners F1-J1 B1 eröffnet. Zur Treuhänderin wurde die Rechtsanwältin U1 S1 ernannt. Diese teilte der Beklagten mit Schreiben vom 18.09.2000 mit, dass der Schuldner allen pfändbaren Gehaltsanteile an sie abgetreten habe. Soweit pfändbare Gehaltsanteile entständen, müssten diese nunmehr auf ein Treuhandkonto eingezahlt werden.
Die Beklagte stellte daraufhin die Zahlungen an den Kläger ein. Mit Schreiben vom 06.11.2008 (Bl. 11 d.A.) informierte dieser die Beklagte unter Beifügung der Erklärung vom 26.01.2007 über die Abtretung von Lohnansprüchen durch den Schuldner B1 und forderte sie auf, monatlich 100,– EUR aus dem Betrag zu zahlen, der ein Nettoeinkommen von 750,– EUR übersteigt. Zu den Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 11 bis 11 R d.A. Bezug genommen. Außerdem meldete der Kläger seine Forderung im Insolvenzverfahren mit Schreiben vom 06.11.2008 an.
Nachdem die Beklagte nach der Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens Zahlungen an den Kläger eingestellt hatte, hat der Kläger am 09.03.2009 Klage erhoben und zugleich dem Schuldner F1-J1 B1 und der Rechtsanwältin U1 S1 den Streit verkündet. Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ab dem Monat März 2009 aufgrund der vom Streitverkündeten zu 1) am 26.01.2007 erklärten Lohnabtretung monatliche Beträge in Höhe von 100,– EUR vom Nettoeinkommen des Streitverkündeten zu 1) einzubehalten und an ihn zu zahlen, bis seine Forderung, die sich nunmehr auf noch 1.500,– EUR beläuft, gegen den Streitverkündeten zu 1) vollständig getilgt ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch Urteil vom 30.03.2010 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der endgültige Rechtserwerb des Klägers sei erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. § 114 Abs. 1 InsO komme deshalb nicht zur Anwendung. Als Gläubiger rückständiger Unterhaltsansprüche sei der Kläger nicht nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ...