Leitsatz (amtlich)

Ein sogenannter sic-non-Fall liegt vor, wenn eine außerordentliche Kündigung zugleich im Hinblick auf eine durch Umdeutung zu ermittelnde ordentliche Kündigung unter Berufung auf § 1 KSchG angegriffen wird.

 

Normenkette

ArbGG § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 10.08.2000; Aktenzeichen 1 Ca 148/00)

 

Tenor

Die Gerichte für Arbeitssachen sind für diesen Rechtsstreit zuständig.

 

Gründe

1. Seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.04.1996 – 5 AZB 25/95, mit der sich das Bundesarbeitsgericht einer schon zuvor von der jetzt entscheidenden Kammer im Beschluß vom 23.03.1995 (4 Ta 19/95 – LAGE § 2 ArbGG 1979 Nr. 17) vertretenen Ansicht angeschlossen hat, reicht die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus, wenn die vor dem Arbeitsgericht erhobene Klage nur dann Erfolg haben kann, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist (sog. sic-non-Fall – AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 1). Mit der Entscheidung vom 09.10.1996 (AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 2) hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, daß ein solcher sic-non-Fall auch dann vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer eine auf das Kündigungsschutzgesetz gestützte Klage erhebt.

Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger hat seine Klage ausdrücklich auf das Kündigungsschutzgesetz gestützt. Auch die Beklagte beruft sich ausdrücklich auf eine eventuelle Umdeutung der als außerordentlicher ausgesprochenen Kündigung. Der Kläger hat auch den Klageantrag im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten keineswegs als punktuellen Streitgegenstand nur auf die fristlose Kündigung bezogen formuliert. Ganz im Gegenteil begehrt er „festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 28.12.1999 nicht beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht”. Der Kläger begehrt damit zugleich ausdrücklich auch die Feststellung, daß sein Vertragsverhältnis ein als Arbeitsverhältnis fortbesteht. Daß er sich gerade nicht auf den punktuellen Streitgegenstand der außerordentlichen Kündigung beschränkt, kommt ferner darin zum Ausdruck, daß der Kläger ausführlich argumentiert, daß das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde.

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf die Entscheidung des BAG vom 10.12.1996 (AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 4). Der dortige Fall unterscheidet sich vom vorliegenden durch zwei Besonderheiten: Zum einen hatte der Kläger nicht den Antrag gestellt, festzustellen, daß ein Arbeitsverhältnis durch eine fristlose Kündigung nicht beendet sei sondern fortbestehe, sondern „daß das Dienstverhältnis der Parteien” nicht durch eine außerordentliche Kündigung beendet sei. Zum zweiten betont das Bundesarbeitsgericht (siehe a.a.O. Blatt 693 unten) ausdrücklich, daß es im gegebenen Fall nicht darauf ankomme, ob ein Arbeitsverhältnis vorliege, da sowohl für ein freies Dienstverhältnis als auch für ein Arbeitsverhältnis § 626 BGB gelte und eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen sei, weil es um einenbefristeten Geschäftsführervertrag gehe, der keine Kündigungsmöglichkeit vorsah.

Gerade dieses ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Dienstvertrag (Bl. 25/26 d. A.) enthält ausdrücklich das Recht zur ordentlichen Kündigung (F.). Der Kläger kann daher mit seinem Begehren, daß sein Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis fortbesteht, nur dann durchbringen, wenn er Arbeitnehmer ist. Das ist ein sic-non-Fall.

2. Für die Zahlungsanträge ist die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts aus § 2 Abs. 3 ArbGG begründet.

Zwar hat die erkennende Kammer sowohl in dem Eingangs zitierten Beschluß als auch in dem vom 5. März 1997 (LAGE § 2 ArbGG 1979 Nr. 22) darauf hingewiesen, daß insbesondere dann, wenn für die Begründung des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten die reine Rechtsbehauptung, es liege ein Arbeitsverhältnis vor, ausreicht, einer Erschleichung des Rechtsweges für andere Ansprüche über die Zusammenhangszuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG mit dem auch im Prozeßrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben zu begegnen ist. Einen solchen Verstoß gegen Treu und Glauben hat sie in dem zuletzt genannten Beschluß (05.03.1997) bei folgendem Sachverhalt angenommen: Der Kläger hatte gegen die Beklagte einen Leistungsantrag erhoben, der auf Freistellung von Forderungen Dritter gerichtet war. Nachdem das Vertragsverhältnis bereits – unstreitig – mehr als ein Jahr beendet war und der Kläger im Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen worden war, daß im Gegensatz zur damaligen Auffassung des Arbeitsgerichts für den Leistungsantrag kein sogenannter sic-non-Fall vorliege, erhob der Kläger erweiternd den Antrag, festzustellen, daß zwischen den Parteien in der Vergangenheit ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. In diesem Fall ist die erkennende Kammer zu dem Ergebnis gekommen, daß sich der Kläger nach Treu und Glauben nicht auf die Zusammenhangszuständigkeit berufen könne. Ganz anders liegt der vorliegende Fall: Der Kläger hat mit einem Klageantrag begonnen, der ein sogenannter sic-non-Fal...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge