Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung der Feststellung des Eintritts der Fiktionswirkung gem. § 88 Abs. 5 S. 2 SGB IX a.F. durch das Integrationsamt
Leitsatz (amtlich)
Hat das Integrationsamt den Eintritt der Fiktionswirkung des § 88 Abs.5 S.2 SGB IX a.F. durch Verwaltungsakt bestätigt und der Widerspruchsausschuss den dagegen gerichteten Widerspruch in Kenntnis des Umstands zurückgewiesen, dass die Voraussetzungen des § 89 Abs.1 S.1 SGB IX a.F. nicht vorgelegen hatten, so haben die Arbeitsgerichte bis zu einer eventuellen rechtskräftigen Aufhebung des Verwaltungsaktes durch die Verwaltungsgerichte von einer wirksamen Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung auszugehen.
Normenkette
SGB IX a.F. §§ 85, 88-89; KSchG § 23; ArbGG § 79; ZPO §§ 148, 580; ArbGG §§ 61a, 64
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 20.09.2017; Aktenzeichen 2 Ca 709/17) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.09.2017 in Sachen2 Ca 709/17 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Der am .19 geborene Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 50 % als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er war seit dem 06.09.2012 bei der Beklagten beschäftigt, die ursprünglich ein Dentallabor betrieb und sich darüber hinaus mit dem Handel und der Reparatur von zahnmedizinischen Geräten befasste. Der Kläger war zu einem Bruttomonatsgehalt von 3.000,00 € als Dentalgerätetechniker angestellt.
In dem von der Beklagten nach Abspaltung des Dentallabors fortgeführten Restbetrieb des Handels und der Reparatur von Dentalgeräten waren einschließlich des Klägers drei Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte entschloss sich, den Restbetrieb zum 31.12.2016 aus wirtschaftlichen Gründen ersatzlos stillzulegen.
Am 21.12.2016, beim Integrationsamt eingegangen am selben Tage, beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamtes zur betriebsbedingten Kündigung des schwerbehinderten Klägers. In dem ihr vorgelegten "Fragebogen für Arbeitgeber in Kündigungsfällen wegen Betriebsstilllegung (...)" (Bl. 49 ff. d. A.) kreuzte die Beklagte auf die Frage: "Können Sie verbindlich zusagen, nach Ausspruch der Kündigung noch drei Monate Lohn oder Gehalt zu zahlen?" das Kästchen "Ja" an (Bl. 49 R d. A.).
Mit Schreiben vom 24.01.2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zum 28.02.2017. Das Kündigungsschreiben war mit der Unterschrift "ppa. S F " versehen. Der Kläger ließ die Kündigung durch seinen Anwalt unverzüglich nach § 174 BGB zurückweisen. Daraufhin erhielt er am 30.10.2017 nochmals ein Kündigungsschreiben zum 28.02.2017, was diesmal auch von dem Geschäftsführer/Gesellschafter der Beklagten, Herrn A , unterschrieben war.
In der Folgezeit wickelte die Beklagte das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 28.02.2017 ab, zahlte darüber hinaus aber - auch nach Aufforderung durch den Kläger - keine weiteren Gehälter.
Mit förmlichem Bescheid vom 14.03.2017 (Bl. 22 ff. d. A.) sprach das zuständige Integrationsamt die Bestätigung über den Eintritt der Fiktion gemäß §§ 89 Abs. 1, 88 Abs. 5 S. 2 SGB IX a. F. aus. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein. Über den Widerspruch war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 20.09.2017 noch nicht entschieden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die betriebsbedingte Kündigung zum 28.02.2017 sei unwirksam; denn es fehle an einer rechtswirksamen Zustimmung des Integrationsamtes zu dieser Kündigung. Entgegen dem Bescheid vom 14.03.2017 sei die Fiktionswirkung des § 88 Abs. 5 S. 2 SGB IX a. F. nicht eingetreten; denn die Voraussetzung des § 89 Abs. 1 S. 1 SGB IX, dass zwischen dem Tag der Kündigung und dem Tag, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate zu liegen haben, sei nicht gegeben. Die Beklagte habe ihre diesbezüglich gegenüber dem Integrationsamt abgegebene Zusage nicht eingehalten. Deshalb habe er, der Kläger, nunmehr auch Anspruch auf Zahlung der Löhne für die Monate März und April 2017.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.01.2017 aufgelöst worden ist und das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen über dem 28.02.2017 hinaus fortbesteht;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.000,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 3.000,00 € ab dem 01.04.2017 und von weiteren 3.000,00 € ab dem 01.05.2017 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich insbesondere auf den Bescheid des Integrationsamtes vom 14.03.2017 berufen, demzufolge eine wirksame Zustimmung zur Kündigung vorgelegen habe.
Mit Urteil vom 20.09.2017 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Urteil des Arbeitsgerichts...