Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame tarifliche Freistellung auch bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Keine analoge Anwendung der §§ 9 ff. BUrlG auf die tarifliche Freistellung nach § 10 A MTV
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf tarifliche Freistellungszeit nach § 10 A MTV bay. Metall- und Elektroindustrie wird mit der antragsgemäßen Gewährung der Freistellung für bestimmte Tage erfüllt. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer für diese Tage arbeitsunfähig erkrankt (entgegen LAG Hamm 25.11.2020 - 6 Sa 695/20).
Leitsatz (redaktionell)
Eine analoge Anwendung der Bestimmungen des BurlG auf die Regelungen der tariflichen Freistellung nach § 10 A MTV kommt nicht in Betracht. Denn der tarifliche Freistellungsanspruch ist mit der Urlaubsgewährung nicht vergleichbar. Ihm fehlt der Bezug zum Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers. Auch folgt die tarifliche Freistellungszeit einem eigenen Regelungsregime, das vom Urlaubsrecht abgekoppelt ist.
Normenkette
BUrlG § 9; TV T-ZUG § 10 Fassung: 2018-02-08, § 18 Fassung: 2018-02-08; BUrlG § 7 Abs. 3; TV T-ZUG § 2.2.1 Fassung: 2018-02-08
Verfahrensgang
ArbG Bayreuth (Entscheidung vom 16.06.2020; Aktenzeichen 3 Ca 939/19) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 16.06.2020, Az.: 3 Ca 939/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen tariflichen Freistellungsanspruch. Es geht dabei um die Frage, ob der Freistellungsanspruch erloschen ist, obwohl der Kläger am Tag der gewährten Freistellung arbeitsunfähig erkrankt ist.
Der Kläger ist bei der Beklagten gewerblicher Arbeitnehmer. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Arbeitnehmer der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie Anwendung, insbesondere der Manteltarifvertrag vom 01.04.2018, gültig ab 01.04.2018, (künftig MTV) und der Tarifvertrag Tarifliches Urlaubsgeld vom 08.02.2018, gültig ab 01.01.2019 (künftig TV T-ZUG).
Als Ausgleich für Schichtarbeit können die Mitarbeiter das tarifliche Zusatzgeld beanspruchen, sie können dieses aber auch in Freistellungstage umwandeln (§§ 2, 5 TV T-ZUG, § 10 MTV).
§ 10 MTV lautet auszugsweise wie folgt:
§ 10 Freistellungen
A. Tarifliche Freistellungszeit
1. Arbeitnehmer können nach Maßgabe nachfolgender Bestimmungen verlangen, statt des tariflichen Zusatzgeldes nach § 2.2.1 TV T-ZUG eine Freistellung in Anspruch zu nehmen.
2. Für folgende Arbeitnehmergruppen besteht die Möglichkeit, statt des tariflichen Zusatzgeldes gemäß § 2.2.1 TV T-ZUG eine bezahlte Freistellung in Anspruch zu nehmen:
a) Arbeitnehmer mit einer individuellen regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden, die in
- drei oder mehr als drei Schichten oder nur in der Nachtschicht arbeiten, haben nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 5 Jahren und nachdem sie mindestens 3 Jahre
- Wechselschicht arbeiten, haben ab dem 1.1.2019 nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren und nachdem sie 10 Jahre
- Wechselschicht arbeiten, haben ab dem 1.1.2020 nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 7 Jahren und nachdem sie 5 Jahre
beim derzeitigen Arbeitgeber üblicherweise in Schicht gearbeitet haben und voraussichtlich im Folgejahr in einem der vorgenannten Schichtmodelle beschäftigt sein werden.
b) Arbeitnehmer mit einer individuellen regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 35 Stunden und/oder Vollzeitarbeitnehmer, die nach dem 1.1.2019 ihre IRWAZ reduzieren oder in verkürzte Vollzeit wechseln, und
- die einen Angehörigen ersten Grades (Eltern und Kinder), einen Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft oder Schwiegereltern in häuslicher Umgebung pflegen, der mindestens den Pflegegrad 1 aufweist, oder
- die ihr in häuslicher Gemeinschaft lebendes Kind bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres selbst betreuen und erziehen.
...
3. Arbeitnehmer können bis zum 31.10. eines Jahres den Anspruch für das Folgejahr geltend machen.
...
4. Der Freistellungsanspruch beträgt 8 Tage für Arbeitnehmer, bei denen sich die Arbeitszeit regelmäßig auf 5 Tage pro Woche verteilt.
Grundsätzlich erfolgt die Inanspruchnahme in Form von ganzen freien Tagen, vergleichbar dem Verfahren bei der Urlaubsnahme. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich einvernehmlich auch auf eine hiervon abweichende Inanspruchnahme verständigen. Bei der zeitlichen Festlegung der Freistellung sind die Wünsche des Arbeitnehmers im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten zu berücksichtigen.
Kann der Freistellungsanspruch aus personenbedingten Gründen nicht oder nicht vollständig im Kalenderjahr genommen werden, geht der Freistellungsanspruch unter. Im Umfang der nicht realisierten Freistellungstage besteht der Anspruch auf das tarifliche Zusatzgeld nach § 2.2.1 TV T-ZUG.
Endet das Arbeitsverhältnis nach Realisierung der Freistellungstage vor dem Auszahlungstag, ist die Differenz im Arbeitsentgelt zu verrechn...