Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Berufungsbegründung. Berechnung des Schwellenwerts bei § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG. Berücksichtigung von Aushilfen und Leiharbeitnehmern bei Schwellenwert. Besitzstandsanspruch für Alt-Arbeitnehmer bei Schwellenwert. Berechnung der Mitarbeiterzahl anhand der Betriebsgröße im Zeitpunkt der Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Berufungsbegründung muss sich auf alle Teile des Urteils beziehen, die geändert werden sollen. Dies ist vorliegend bei dem Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld nicht der Fall.
2. Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht anwendbar, wenn der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG nicht erreicht wird. Der Arbeitnehmer muss zunächst behaupten, dass der Schwellenschwert überschritten wird; der Arbeitgeber hat sich dann unter Beifügung von Beweismitteln hierzu zu erklären.
3. Aushilfen und Leiharbeitnehmer sind bei der Berechnung des Schwellenwerts nur dann mit einzubeziehen, wenn jeweils eine Beschäftigungsdauer von mindestens sechs Monaten vorliegt.
Normenkette
KSchG § 23 Abs. 1 Sätze 2-4, § 1 Abs. 2; ZPO § 97 Abs. 1, § 520 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 10.09.2020; Aktenzeichen 3 Ca 164/20) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 10. September 2020, Az. 3 Ca 164/20, wird als unzulässig verworfen, soweit die Berufung sich gegen die Abweisung des erstinstanzlichen Klageantrags zu 3 (Urlaubsgeld in Höhe von 2.000,00 €) richtet.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die ordentliche Kündigung vom 24. Januar 2020 und zusätzliches Urlaubsgeld.
Die 62 Jahre alte Klägerin ist die Mutter des Beklagten. Sie war seit dem 1. April 1997 im Betrieb J. Metallbau mit einem Umfang von 30 Stunden und einem zuletzt vereinbarten Bruttolohn in Höhe von insgesamt 2.895,71 € angestellt. Dieser Betrieb wurde zum 1. Januar 2020 durch seinen damaligen Inhaber, den Lebensgefährten der Klägerin und Zeugen J., auf den jetzigen Inhaber, den Beklagten und Sohn der Klägerin übertragen. Der Betrieb wird seither unter der Firma Metallbau A. geführt.
Die Klägerin wurde bereits im November 2018 von ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt und hat seitdem keine Arbeitsleistung erbracht.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2020 (Bl. 6 f. d. A.) mahnte der Beklagte die Klägerin wegen unentschuldigten Fehlens seit dem 6. Januar 2020 ab. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 23. Januar 2020 (Bl. 8 f. d. A.) bot die Klägerin ihre Arbeit ab sofort an und bat um Auskunft, wo sie wann, zu welcher Arbeit, an welchem Arbeitsplatz erscheinen solle.
Mit Schreiben vom 24. Januar 2020 (Bl. 10 d. A.) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß.
Zum Zeitpunkt der Kündigung waren bei der Beklagten folgende Arbeitnehmer beschäftigt: F. (Vollzeit), G. (Vollzeit), T. H. (Vollzeit), I. (Vollzeit, seit September 2019 bis über den Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung hinaus langzeiterkrankt), O. (Vollzeit), J. (Vollzeit), P. (Vollzeit), M. (maximal 20 Stunden/Woche), I.M. (maximal 20 Stunden/Woche, inzwischen Frau O. auf 450,00 €-Basis) auf Reinigungskraft und I.A. (maximal 20 Stunden/Woche). Weiter waren zu diesem Zeitpunkt im Betrieb der Arbeitnehmer K. sowie der Leiharbeitnehmer L. (jeweils Vollzeit) eingesetzt. Letzterer wurde zum 1. Juni 2020 von dem Beklagten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen.
Gegen die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 23. Januar 2020 wendete sich die Klägerin mit ihrer am 3. Februar 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen, dem Beklagten am 12. Februar 2020 zugestellten Kündigungsschutzklage. Sie hat die Klage mit am 28. Juli 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenem, der Beklagten am 29. Juli 2020 zugestelltem Schriftsatz erweitert.
Die Klägerin war der Ansicht,
es gebe keinen wichtigen Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Die fristgemäße Kündigung sei sozialwidrig.
Bis einschließlich Oktober 2019 habe sie für die Rechtsvorgängerin des Beklagten sämtliche buchhalterischen Arbeiten in einem eigenen Büro in ihrem eigenen Wohnhaus ausgeführt. Die gesamte Einrichtung bestehe heute noch. Die Arbeitsräume der Firma J. habe sie selten betreten. Offiziell sei sie nicht von der Betriebsübernahme unterrichtet worden. Die von der Firma Metallbau A. im Jahr 2019 neu gebaute Halle habe sie nie betreten. Eine Anweisung, dass sich ihr Dienstort geändert habe, habe sie nie erhalten.
Der Beklagte beschäftige mehr als zehn Arbeitnehmer und sei an das KSchG gebunden. Der Beklagte stelle zur Zeit neue Arbeitnehmer ein. Es handele sich nicht um einen Kleinbetrieb. Es ergebe sich eine regelmäßige Beschäftigtenzahl von 11,25, da auch die Herren K. (Vollzeit), L. (Vollzeit) sowie s...