Prof. Dr. Franz Jürgen Marx
Rz. 73
Land- und forstwirtschaftliches Vermögen wird mit dem Ertragswert bewertet. Absatz 2 verweist auf die §§ 26–36 LGrStG BW, die den §§ 232–242 BewG inhaltlich entsprechen. Auch die zugehörigen Anlagen 1-9 weisen eine Deckung mit den Anlagen 27–35 des BewG auf. Die Ausgestaltung des Bewertungsverfahrens ist damit in der Weise erfolgt, dass für die beiden Vermögensarten des Grundbesitzes zwei unterschiedliche Verfahren zum Einsatz kommen. Begründet wird die Verwendung des Ertragswerts mit der Befreiung der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft von der Gewerbesteuer und mit der unzureichenden Datenlage von Bodenrichtwerten für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke, die eine gleichheitsgerechte Besteuerung gefährden würde. Außerdem spiegele sich die direkt mit der Nutzung von Grund und Boden anknüpfende und aus dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in seiner Gesamtheit resultierende Leistungsfähigkeit gerade im erzielbaren Ertrag des Betriebs wider. Im Rahmen der Bewertung sollen nach der gesetzgeberischen Konzeption außerlandwirtschaftliche Faktoren eliminiert werden, die zwar den Veräußerungspreis eines Betriebes beeinflussen, jedoch in keinem ökonomischen Zusammenhang mit der objektiven Ertragsfähigkeit einer land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion stehen.
Durch das ÄndGLGrStG v. 22.12.2021 wurden in den Anlagen 1–7 Bewertungsparameter aktualisiert, die aus den Erhebungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft nach § 2 des Landwirtschaftsgesetzes stammen und jährlich für das abgelaufene landwirtschaftliche Wirtschaftsjahr den Ertrag und Aufwand landwirtschaftlicher Betriebe, gegliedert nach Betriebsgrößen, -typen, -systemen und Wirtschaftsgebieten anhand von Betriebsergebnissen von 6.000 bis 8.000 landwirtschaftlichen Betrieben feststellen. Diese Werte werden für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens in Baden-Württemberg aufgrund der Erfahrung bei der Ermittlung dieser Werte und aus verwaltungsökonomischen Gründen herangezogen. Die Aktualisierung deckt sich mit dem Bundesrecht, das durch die Verordnung zur Neufassung der Anlagen 27 bis 33 des Bewertungsgesetzes vom 29.6.2021 auf der Grundlage der Ermächtigung in § 263 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG angepasst worden ist. Der Landesgesetzgeber reagiert auf Änderungen in den Anlagen des BewG, womit gewährleistet wird, dass das LGrStG BW weiterhin vollumfänglich Anwendung findet.
Rz. 74
Die Ertragsbewertung nach dem Konzept des Sollertrags, bei der die Summe aller hypothetischen Reinerträge mit einem tradierten und von der Realität abgelösten Faktor kapitalisiert wird, vermag aus bewertungstheoretischer Sicht nicht zu überzeugen. Eine realitäts- und relationsgerechte Bewertung wird in den meisten Fällen auf diese Weise nicht gelingen. Fraglich ist auch die vollständige Übernahme der Bewertungsparameter des Bundesrechts ohne landesspezifische Abweichungen. Nahegelegen hätte, das regionale Ertragspotenzial unter Berücksichtigung der für das Land Baden-Württemberg erhobenen Daten zu bestimmen. Darüber hinaus besteht im Landesgrundsteuergesetz BW ein besonderer Kontrast der land- und forstwirtschaftlichen Bewertung zur Bewertung des Grundvermögens mit dem Bodenwert. Die Gesetzesbegründung führt dazu nicht überzeugend aus, dass "... es für einen Einklang mit dem Grundkonzept der Sollertragsbesteuerung nicht notwendig [sei], dass eine Betrachtung in einem Ertragswertverfahren auch für alle anderen Vermögensarten erfolgt."
Rz. 75
Der nach § 57 LGrStG BW vorgesehene Erlass der Grundsteuer wegen wesentlicher Reinertragsminderung bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft verkompliziert das Regelungsgefüge zusätzlich.