Prof. Dr. Franz Jürgen Marx
Rz. 47
Der erste Teil des Landesgrundsteuergesetzes BW (§§ 1–12 LGrStG BW) enthält allgemeine Vorschriften und entspricht mit den Regelungen zum Steuergegenstand, zu den Befreiungen, zur Steuerschuldnerschaft und zur Haftung in weitem Umfang den Regelungen des Grundsteuergesetzes. Mit § 1 LGrStG BW, der die Entstehung der Grundsteuer, die Hebesatzabhängigkeit und die Erhebung in gemeindefreien Gebieten regelt und damit den Inhalt von §§ 1 Abs. 3, 9 und 25 GrStG aufnimmt, gelingt im Vergleich zum Bundesrecht eine stimmigere und klarere Regelung. Obwohl der Verzicht auf die Ausübung des Hebesatzrechts nicht nur theoretischer Natur ist, gibt es praktisch kaum reale Anwendungsfälle im Bundesgebiet und keinen in Baden-Württemberg (vgl. Marx, § 1 GrStG Rz. 5). Die Verwaltungsgliederung zeigt in Baden-Württemberg derzeit nur zwei gemeindefreie Gebiete, für die § 1 Abs. 3 LGrStG BW von Bedeutung ist (vgl. Marx, § 1 GrStG Rz. 39). Zusätzlich enthalten ist im ersten Abschnitt § 2 LGrStG BW, der die entsprechende Anwendung der Verfahrensvorschriften der Abgabenordnung und der Regelungen des Finanzverwaltungsgesetzes anzeigt. Klarstellend ist in § 2 Abs. 2 geregelt, dass gegen Entscheidungen der Landesfinanzbehörden der Finanzrechtsweg eröffnet ist und die Vorschriften der Finanzgerichtsordnung entsprechend anzuwenden sind. Der erste Abschnitt (§§ 3–9 GrStG) regelt den Steuergegenstand und die Steuerbefreiung mit parallelen Normen im Grundsteuergesetz. § 3 benennt als Steuergegenstand mit dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen und dem Grundvermögen zwei Arten des Grundbesitzes und verweist auf die §§ 26, 37 LGrStG BW. Ein Verweis auf die Regelungen des Bewertungsgesetzes, der im Grundsteuergesetz notwendig ist, ist hier nicht erforderlich. Auch dadurch ist der Gesetzesaufbau des Landesgrundsteuergesetzes BW klarer. Die §§ 4–8 LGrStG BW decken sich mit dem Bundesrecht. § 9 LGrStG BW entspricht cum grano salis § 8 GrStG.
Rz. 48
Der zweite Abschnitt des ersten Teils des Landesgrundsteuergesetzes BW knüpft an die Regelungen der §§ 10–12 GrStG zum großen Teil wortgleich an. Bei Erbbaurechten ist nach § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 LGrStG BW für das Erbbaurecht und das Erbbaurechtsgrundstück ein einheitlicher Wert nach § 38 LGrStG BW zu ermitteln, der festzustellen wäre, wenn die Belastung mit dem Erbbaurecht nicht bestünde, und dem Erbbauberechtigten zuzurechnen. Die Steuerschuldnerschaft beim Erbbauberechtigten basiert auf der starken und gesicherten eigentumsähnlichen Position, die es ermöglicht, die Ressourcen wie auch die kommunale Infrastruktur faktisch wie ein Eigentümer zu nutzen.
Rz. 49
Das Feststellungsverfahren wird in den §§ 13–23 LGrStG BW parallel zu §§ 219–229 BewG geregelt. § 13 LGrStG BW ist vergleichbar mit § 219 BewG. Grundsteuerwerte werden gesondert festgestellt (§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Für das Grundvermögen ist nach Landesgrundsteuergesetz BW keine Feststellung über die Grundstücksart erforderlich. Die Hauptfeststellung erfolgt nach § 15 Abs. 3 LGrStG BW auf den 1.1.2022 und die Hauptveranlagung der Grundsteuermessbeträge auf den 1.1.2025. Dies steht im Einklang mit § 226 Abs. 1 BewG. § 16 LGrStG BW ist an § 222 BewG angelehnt und regelt, wann es zwischen zwei Hauptfeststellungen zu Fortschreibungen kommt. Wertfortschreibungen erfolgen bei Wertabweichungen nach oben oder nach unten um mehr als 15.000 Euro, was dem Schwellenwert des § 222 Abs. 1 BewG entspricht. Da Grundstücke unabhängig von ihrer Nutzung mit dem Bodenwert bewertet werden und daher bei bebauten Grundstücken nach Landesgrundsteuergesetz BW ein im Vergleich zum Bundesrecht niedrigerer Wert ermittelt wird, überrascht die Übernahme des bewertungsrechtlichen Schwellenwerts in das Landesgrundsteuergesetz BW angesichts einer 3,8-fachen Steuermesszahl. Nach der Gesetzesbegründung sei bis zu einer Abweichung von 15.000 Euro beim Grundsteuerwert regelmäßig nur eine untergeordnete Differenz in der Höhe der Grundsteuer gegeben.
|
Änderung des Grundsteuerwerts in Euro |
Steuermesszahl in Promille |
Messbetragsänderung in Euro |
BewG/GrStG |
15.000 |
0,34 |
5,1 |
LGrStG BW |
15.000 |
1,3 |
19,5 |
Tab. 5: Änderung des Grundsteuerwerts
Quelle: Eigene Darstellung
Rz. 50
Im Unterschied zum BewG (§ 222 Abs. 2 BewG) gibt es im Landesgrundsteuergesetz BW keine Artfortschreibung, wohl aber nach § 16 Abs. 2 Satz 1 LGrStG BW eine Zurechnungsfortschreibung. Wechsel in der Vermögensart einer wirtschaftlichen Einheit führen nach § 16 Abs. 2 Satz 2 LGrStG BW zu einer Aufhebung und einer Nachfeststellung. Die fehlerbeseitigende Fortschreibung ist – im Einklang mit § 222 Abs. 4 BewG in § 16 Abs. 3 LGrStG BW geregelt. Nachfeststellung, Aufhebung des Grundsteuerwerts, Änderung von Feststellungsbescheiden, Nachholung einer Feststellung und Wertverhältnisse bei einer Fortschreibung und Nachfeststellung entsprechen §§ 223–226 BewG.
Rz. 51
Normen, die das Bewertungsverfahren regeln und Bewertungsvorschriften sind im zwe...