Rz. 3
Die vom BVerfG erzwungene Reform der Grundsteuer hat nicht nur dazu geführt, dass die jahrzehntelang unveränderten Einheitswerte ab 2025 durch neue Bemessungsgrundlagen ersetzt werden müssen, sondern im Ergebnis auch dazu, dass jedes Bundesland sein eigenes Regelungskonzept wirklichen darf. Denn der – vom BVerfG offengelassene – Streit über die Frage, ob dem Bund für die Reform der Grundsteuer die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz auf der Grundlage von Art. 105 Abs. 2 (a.F.) i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG zusteht, hat auch zu einer Änderung des Grundgesetzes geführt. Für den Bund wurde die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis für die Grundsteuer in Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG festgeschrieben. Im Gegenzug wurde der Katalog für die Abweichungsbefugnisse zu Gunsten der Länder in Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG um die Grundsteuer erweitert (sog. Länderöffnungsklausel für die Grundsteuer) und damit der Anwendungsvorrang des abweichenden Landesgesetzes vor dem Bundesgesetz konstituiert. Die Länder haben damit das Recht zur unkonditionierten, konkurrierenden und abweichungsoffenen Gesetzgebung. Der Umfang der Abweichungsbefugnis wird allein durch das materielle Verfassungsrecht begrenzt. Die Abweichungsbefugnis der Länder ist damit für die Grundsteuer umfassend. Vorbehaltlich höherrangigen Rechts steht es den Ländern also frei, "ob", "wie" und grundsätzlich auch "wann" sie von der Abweichungsbefugnis Gebrauch machen (vgl. die Kommentierung zu VerfR GrSt, Rz. 6 ff.). Zur zeitlichen Anwendungsmöglichkeit der Abweichungsbefugnis (Rz. 9 ff.). Wegen Art. 72 Abs. 3 Satz 3 GG steht jedes abweichende Landesgesetz jedoch unter dem Vorbehalt eines späteren, seinerseits wieder inhaltlich korrigierenden Bundesgesetzes.
Rz. 4
Nach Einfügung der Länderöffnungsklausel in Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG hat Hessen frühzeitig angekündigt, von der Abweichungskompetenz durch ein wertunabhängiges Flächenmodell Gebrauch machen zu wollen. Hessen hat für den Grundbesitz des Grundvermögens (Rz. 82, 85) am 24.12.2021 das Hessische Grundsteuergesetz (HGrStG) in Kraft gesetzt (Rz. 446). Diesem liegt das sog. Flächen-Faktor-Verfahren zu Grunde (Rz. 15 f., Rz. 210). Zum Gesetzgebungsverfahren (Rz. 27). Zur Regelungstechnik (Rz. 23 ff.). Zum Vergleich mit dem Bundesrecht (Rz. 59 ff.).
Rz. 5
Neben Hessen haben auch Bayern (reines Flächenmodell), Baden-Württemberg (Bodenwertmodell, LGrStG BW Rz. 1 ff.), Hamburg (Wohnlagemodell, Hamb. LGrStG Rz. 1 ff.) und Niedersachsen (Flächen-Lage-Modell, NGrStG Rz. 1 ff.) die Abweichungsbefugnis für eigene Grundsteuermodelle zur Besteuerung des Grundvermögens genutzt. Der Wille der Länder für eigene Grundsteuergesetze, hängt einerseits mit dem für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheiten administrierungsintensiven Bundesgrundsteuergesetz zusammen und andererseits mit der diesbezüglich im Raum stehenden Verfassungswidrigkeit (s. dazu die Kommentierung zu VerfR GrSt, Rz. 31 ff.). Zudem ist die Abweichungsgesetzgebung Ausdruck des föderalen Ringens um eine akzeptanzschaffende Besteuerung des Innehabens und der Nutzung von Grundbesitz.
Auch die Länder Saarland und Sachsen haben von der Länderöffnungsklausel Gebrauch gemacht, weichen aber nur punktuell vom Bundesrecht ab (Rz. 235). Sie halten weitestgehend am Bundesgrundsteuergesetz fest. Die punktuelle Abweichung vom Bundesmodell beschränkt sich auf die Festlegung von landespezifischen Steuermesszahlen.