Rz. 1
Die Föderalisierung der Grundsteuer in Deutschland schreitet fort. Die abweichungswilligen Länder füllen den verfassungsrechtlichen Rahmen landesgesetzlich aus. Nach der Grundsteuerreform ist vielfach vom "Flickenteppich" in den Ländern die Rede oder – neutraler formuliert – von der neuen "Diversität der Steuerart". Die Ursache und die verfassungsrechtlich akzeptierte Quelle dafür liegt in der Änderung des Grundgesetzes vom 15.11.2019 zur Lösung des früheren föderalen Kompetenzstreites über die Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer: Das Grundgesetz räumt den Ländern seither für die Grundsteuer die Kompetenz zur Abweichungsgesetzgebung nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG ein (näher VerfR GrStG Rz. 6 ff.). Das Ziel einer bundeseinheitlichen Grundsteuer ist mit dieser Verfassungsänderung bereits verabschiedet worden, Das mag man bedauern, es ist aber die Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers. Von dieser Abweichungskompetenz gegenüber dem Bundes-Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (GrStRefG) v. 26.11.2019 haben inzwischen folgende Landesgesetzgeber Gebrauch gemacht:
- Baden-Württemberg
- Bayern
- Hamburg
- Hessen
- Niedersachen
- Saarland
- Sachsen.
Zur Rechtsklarheit wird das vom Bundesrecht abweichende Landesrecht auf Hinweis des Landes im BGBl. Teil 1 veröffentlicht. Der Rechtsklarheit dient auch das "freiwillig auferlegte Zitiergebot" in § 2 Abs. 1 LGrStG Hessen, das die abweichenden Regelungen vom GrStG enumerativ aufzählt (s. LGrStG Hessen Rz. 92 ff.). Nach Ansatz und Reichweite lassen sich verschiedene landesrechtliche Abweichungsentscheidungen ausmachen, die eine länderübergreifende Modellgruppenbildung ermöglichen: Für die Grundstücke des Grundvermögens haben Baden-Württemberg mit dem Bodenwertmodell (s. LGrStG BW Rz. 25 ff., 54) und Bayern (s. LGrStG Bayern Rz. 47 ff.) mit dem reinen Flächenmodell konzeptionell vom Bundesmodell abweichende Regelungen ab 2025 eingeführt. Auch die "Kombinationsmodelle" der Länder Hamburg mit dem Wohnlagemodell (s. LGrStG Hamb. Rz. 25 ff., 161 ff.), Hessen mit dem Flächen-Faktor-Verfahren (s. LGrStG Hessen Rz. 6 ff.) und Niedersachsen mit dem Flächen-Lage-Modell (s. NGrStG Rz. 45 f., 266 ff.) nutzen die Abweichungsbefugnis für eigene Grundsteuermodelle bei der Besteuerung des Grundvermögens. Die Länder Saarland und Sachsen halten dagegen weitestgehend am Bundesgrundsteuergesetz fest und weichen nur punktuell vom Bundesrecht durch die Festlegung von landespezifischen Steuermesszahlen ab (s. Rz. 25). Die allgemeine Einschätzung, dass die Länder nur behutsam von der Abweichungskompetenz Gebrauch machen, wird bei der Grundsteuer qualitativ und quantitativ nicht bestätigt.
Rz. 2
Die übrigen Länder folgen dem Bundes-Grundsteuergesetz mit den zugehörigen Bewertungsvorschriften (s. Rz. 16 ff.). Da ohne aktive Abweichungsgesetzgebung das Bundesrecht gilt, besteht in der Mehrzahl der Länder inhaltliche Übereinstimmung mit der Bundes-Grundsteuer. Die Befürchtung der "drohenden Zersplitterung", die "im Extremfall" zu einem "Flickenteppich aus bis zu 16 verschiedenen Grundsteuern führen kann", tritt mithin de lege lata nicht ein. Das Bundesmodell bleibt die "Standard-Grundsteuer" in Deutschland, ohne allerdings für die landesgesetzliche Abweichung einen verfassungsrechtlich verbindlichen Maßstab zu bilden (s. Rz. 8, 12). Das Bundesmodell ist nicht etwa das verfassungsrelevante Normalmaß, anhand dessen Abweichungen der Länder zu rechtfertigen wären.
Rz. 3
Weitgehende Einheitlichkeit besteht bei der Grundsteuer A und den Bewertungsvorschriften für land- und forstwirtschaftliches Vermögen. Auch die Länder, die vom Bundesgrundsteuerrecht abweichen, folgen im Grundsatz den §§ 232 ff. BewG durch nicht abweichende "Komplettübernahme" und sehen nur partiell Sondervorschriften für wirtschaftliche Einheiten als landesspezifisches Bewertungsrecht (z.B. § 9 HmbGrStG; s. § 9 Hamb. LGrStG Rz. 283 ff.; § 11 NGrStG; s. NGrStG Rz. 51 f., 587 ff.) vor. Der Verzicht auf eine eigene Regelung mag auch mit dem im Verhältnis zur Grundsteuer B niedrigen Aufkommen zusammenhängen. Wegen der weitgehenden Kongruenz bleibt die Grundsteuer A, die auch bei Übernahme der Länder Bundesrecht bleibt und nicht zu Landesrecht wird, im Folgenden außer Betracht.