1. Gesetzestext
Rz. 336
(1) Der Steuermessbetrag wird neu festgesetzt (Neuveranlagung), wenn
- 1. während des Hauptveranlagungszeitraumes nach § 8 Abs. 1 Satz 3 Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen eintreten, die sich auf die Höhe des Steuermessbetrages nach § 4 oder auf die Steuerschuldnerschaft nach § 3 auswirken oder
- 2. die letzte Veranlagung fehlerhaft ist; § 176 der Abgabenordnung ist hierbei entsprechend anzuwenden; das gilt jedoch nur für Veranlagungszeitpunkte, die vor der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Gerichts liegen.
(2) 1 Der Neuveranlagung werden die tatsächlichen Verhältnisse im Neuveranlagungszeitpunkt zugrunde gelegt. Neuveranlagungszeitpunkt ist der Beginn des Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Änderungen eingetreten oder der Fehler dem Finanzamt bekannt geworden ist. 2 Für die Berechnung des Faktors nach § 7 sind die Verhältnisse im Hauptveranlagungszeitpunkt maßgebend.
2. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 337
§ 9 HGrStG ersetzt den § 17 GrStG (dazu Rz. 94) und regelt, unter welchen Voraussetzungen ein bestehender Steuermessbetrag neu festgesetzt wird. Dieser Vorgang wird als Neuveranlagung bezeichnet. Geregelt wird auch, zu welchem Zeitpunkt die Neuveranlagung erfolgt und welche Verhältnisse hierbei zugrunde zu legen sind.
Eine Neuveranlagung erfolgt, wenn während eines Hauptveranlagungszeitraumes (Rz. 327) Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen eintreten, die sich auf die Höhe des Steuermessbetrages oder auf die Steuerschuldnerschaft auswirken oder wenn der zuletzt veranlagte Steuermessbetrag fehlerhaft ist (fehlerbeseitigende Neuveranlagung). Die Vorschrift bezweckt, die Bemessungsgrundlage stets aktuell und zutreffend zu halten.
Rz. 338
Ein wesentlicher Unterschied gegenüber der bundesrechtlichen Neuveranlagung nach § 17 Abs. 1 GrStG besteht darin, dass diese zuvor die Durchführung einer Wert-, Art- oder Zurechnungsfortschreibung des Grundsteuerwertes voraussetzt, welche ihrerseits bei Veränderungen in den steuerlichen Verhältnissen erfolgen. Dies hängt mit dem dreistufigen Verfahrensaufbau im Bundesrecht (Grundsteuerwert/Steuermessbetrag/Grundsteuer, § 27 GrStG Rz. 38 ff.) zusammen. Im zweistufigen Verfahrensaufbau der hessischen Grundsteuer (Steuermessbetrag/Grundsteuer, Rz. 445) führen Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse unmittelbar zu einer Neufestsetzung des Steuermessbetrags.
3. Voraussetzungen für die Durchführung einer Neuveranlagung (Abs. 1)
a) Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1)
Rz. 339
Der Steuermessbetrag ist bei Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse mit Auswirkung auf die Höhe des Steuermessbetrags neu festzusetzen. Hierunter fallen alle Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen, die für die Berechnung des Steuermessbetrags nach den §§ 4 bis 6 HGrStG maßgeblich sind. Das sind beispielsweise:
- Veränderungen der Flächen von Boden und Gebäuden (z.B. Neubau, Anbau, Erweiterung, Abriss, Gebäude infolge Verfall nicht mehr benutzbar, Neuvermessung der Grundstücksgrenzen) (Rz. 220),
- Änderung der Nutzungsart (Wohnen bzw. Nicht-Wohnen) (Rz. 220),
- Wegfall eines Grundes für die Ermäßigung der Steuermesszahl (Rz. 288 ff.),
- Änderung hinsichtlich teilweiser Steuerbefreiung des Grundstücks (Rz. 200 ff.).
Rz. 340
Nicht zu einer Neuveranlagung führen Veränderungen der Bodenrichtwerte während eines Hauptveranlagungszeitraumes. Denn hier gelten nach § 9 Abs. 2 Satz 2 sowie § 7 Abs. 2, 3 HGrStG stets die Verhältnisse im Hauptveranlagungszeitpunkt.
Rz. 341
Im Gegensatz zu den bundesgesetzlichen Regelungen zur Fortschreibung bzw. Neuveranlagung kommt es bei § 9 HGrStG nicht darauf an, dass die steuerlichen Auswirkungen infolge der eingetretenen Veränderungen ein gewisses Ausmaß erreichen. Es gibt keine "Fortschreibungsgrenzen" wie im Bundesrecht (§ 222 Abs. 1 BewG), die überschritten werden müssen, damit eine Neuveranlagung vorgenommen wird. Jede eintretende Veränderung mit Auswirkung auf den Steuermessbetrag wird verarbeitet, denn i.d.R. dürften die meisten der infrage kommenden Veränderungen an sich bereits ein gewisses Ausmaß erreichen. Veränderungen bei den Gebäudeflächen oder der Nutzungsart beziehen sich meist nicht nur auf wenige Quadratmeter.
Rz. 342
Zudem ist es verwaltungsökonomisch nicht aufwändiger, stets die steuerlichen Folgen von Veränderungen zu ziehen, anstatt zunächst Fortschreibungsgrenzen zu prüfen und im Falle eines Nichtüberschreitens auf die Fortschreibung zu verzichten, die aktuellen Veränderungen jedoch bei zukünftigen weiteren Veränderungen mitberücksichtigen und diese hierfür vorhalten zu müssen.
Rz. 343
Weil steuerrelevante Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse künftig von den Steuerpflichtigen anzuzeigen sind (Rz. 123), was als Steuererklärung gilt (§ 228 Abs. 2 und 5 BewG, in Hessen i.V.m. § 2 Abs. 4 Satz 1 HGrStG; § 19 GrStG, von d...