1. Gesetzestext
Rz. 352
(1) Der Steuermessbetrag wird nachträglich festgesetzt (Nachveranlagung), wenn
- 1. eine wirtschaftliche Einheit neu entsteht oder
- 2. der Grund für eine vollständige Steuerbefreiung des Steuergegenstands weggefallen ist.
(2) 1 Der Nachveranlagung werden die tatsächlichen Verhältnisse im Nachveranlagungszeitpunkt zugrunde gelegt. Nachveranlagungszeitpunkt ist der Beginn des Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die wirtschaftliche Einheit neu entstanden oder der Befreiungsgrund weggefallen ist. 2 Für die Berechnung des Faktors nach § 7 sind die Verhältnisse im Hauptveranlagungszeitpunkt maßgebend.
2. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 353
§ 10 HGrStG ersetzt den § 18 GrStG (dazu Rz. 94) und regelt, in welchen Fällen ein Steuermessbetrag nachträglich festgesetzt wird, durch sog. Nachveranlagung. Geregelt wird auch, zu welchem Zeitpunkt die Nachveranlagung erfolgt und welche Verhältnisse hierbei zugrunde zu legen sind.
Eine Nachveranlagung erfolgt, wenn eine wirtschaftliche Einheit neu entsteht oder der Grund für eine vollständige Steuerbefreiung des Steuergegenstandes weggefallen ist. In beiden Fällen geht es um die erstmalige Festsetzung eines Steuermessbetrages zur Erhebung der Grundsteuer.
Ein wesentlicher Unterschied gegenüber der bundesgesetzlichen Nachveranlagung nach § 18 Abs. 1 GrStG besteht darin, dass diese zuvor die Durchführung einer Nachfeststellung des Grundsteuerwertes voraussetzt. Zu den Unterschieden des zwei- bzw. dreistufigen Verfahrensaufbaus, Rz. 445 f.
Die nachträgliche Festsetzung eines Steuermessbetrages durch Nachveranlagung darf nicht verwechselt werden mit der Nachholung einer unterbliebenen Festsetzung eines Steuermessbetrags (vgl. hierzu Rz. 333 ff., Rz. 374).
3. Konkrete Kommentierung
Rz. 354
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 HGrStG hat eine Nachveranlagung zu erfolgen, wenn eine wirtschaftliche Einheit neu entsteht. Dies kommt beispielsweise in Betracht, wenn Wohnungs- oder Teileigentum begründet werden, wenn aus einer Ackerfläche neue Baugrundstücke werden oder wenn von einem großen Flurstück ein Teil als eigenes Flurstück abgetrennt wird.
Rz. 355
Eine Nachveranlagung hat auch zu erfolgen, wenn der Grund für eine vollständige Steuerbefreiung für den Steuergegenstand weggefallen ist. Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn ein bisher gemeinnütziger Verein mit eigenem zum steuerbegünstigten Vermögen gehörenden Grundstück seine Gemeinnützigkeit und damit die Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG verliert.
Rz. 356
Nach § 10 Abs. 2 HGrStG werden bei der Nachveranlagung die tatsächlichen Verhältnisse im Nachveranlagungszeitpunkt zugrunde gelegt. Nachveranlagungszeitpunkt ist der Beginn des Kalenderjahres, welches auf das Jahr folgt, in dem die wirtschaftliche Einheit neu entstanden oder der Befreiungsgrund weggefallen ist.
Rz. 357
Für die Berechnung des Faktors nach § 7 HGrStG (Rz. 296 ff.) gelten stets die Verhältnisse zum Hauptveranlagungszeitpunkt.