Rz. 75
Der Steuerpflichtige kann – wie er allein gegen die Sonderregelungen des Sächsichen Grundsteuergesetzes vorgehen – entweder allein eine fehlerhafte Rechtsanwendung der sächsischen Steuermesszahlen durch das Finanzamt oder (auch) die Verfassungswidrigkeit der sächsischen Steuermesszahlen für Grundstücke als Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG bzw. wortgleich Art. 18 Abs. 1 SächsVerf) rügen (dazu Rz. 21 ff.). Letzteres kommt für alle Eigentümer von bebauten Nichtwohngrundstücken in Betracht, weil diese mit einer Steuermesszahl von 0,72 Promille gegenüber den Eigentümern von unbebauten Grundstücken und bebauten Wohngrundstücke (Steuermesszahl jeweils 0,36 Promille) benachteiligt werden (Rz. 34 ff. und 46 ff.), was sich im Verhältnis zu den unbebauten Grundstücken nicht verfassungsrechtlich rechtfertigen lässt (Rz. 51 ff.).
Rz. 76
In beiden Konstellationen ist zunächst der Einspruch (§ 347 AO) gegen den Steuermessbetragsbescheid (Rz. 71) statthaft, aber nicht ein Einspruch erst gegen den Grundsteuerbescheid als Folgebescheid (vgl. § 351 Abs. 2 AO). Da ein Einspruch gegen den Steuermessbetragsbescheid, mit dem allein die Verfassungswidrigkeit der sächsischen Steuermesszahlen für Grundstücke gerügt wird, sowieso zurückgewiesen werden muss, bietet sich insoweit eine Sprungklage (§ 41 FGO) an. Im Übrigen ist gegen die zurückweisende Einspruchsentscheidung generell die Anfechtungsklage vor dem Finanzgericht statthaft (§ 40 Abs. 1 Alt. 1 FGO).
Rz. 77
Ist das Finanzgericht von der Verfassungswidrigkeit der sächsischen Steuermesszahlen für Grundstücke überzeugt (dazu ausf. Rz. 21 ff.), hat es das Verfahren auszusetzen und die Frage entweder dem BVerfG (Maßstab Art. 3 Abs. 1 GG) oder dem SächsVerfGH (Maßstab Art. 18 SächsVerf) zur konkreten Normenkontrolle vorzulegen (BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG, § 13 Nr. 11, §§ 80–82a BVerfGG und SächsVerfGH nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG, Art. 81 Abs. 1 Nr. 3 SächsVerf, §§ 25, 26 SächsVerfGHG). Die für die Zulässigkeit der Normenkontrolle erforderliche Entscheidungserheblichkeit, ergibt sich aus der Möglichkeit, dass die Grundsteuerbelastung geringer sein wird, wenn als Reaktion auf die Verfassungswidrigkeit (Rechtsfolge bei Gleichheitsverstoß: i.d.R. sog. Unvereinbarkeitserklärung) durch den Gesetzgeber verfassungskonforme Steuermesszahlen zugrunde gelegt werden müssen. Möglich wäre etwa, dass dann einheitliche Steuermessbeträge zugrunde gelegt werden, die einheitlich unter 0,72 Promille liegen. Möglich wäre aber auch, dass zwar an der Begünstigung der bebauten Wohngrundstücke (0,36 Promille) festgehalten wird (zur Verfassungskonformität dieser Begünstigung Rz. 34 ff.), aber die Steuermesszahl für unbebaute Grundstücke und bebaute Wohngrundstücke auf einen Wert > 0,36 und < 0,72 Promille festgelegt wird.
Rz. 78
Weist das Finanzgericht die Klage ab, ist nach dem Begehren zu unterscheiden: Hat der Kläger allein die fehlerhafte Rechtsanwendung der Steuermesszahlen gerügt, ist das Urteil des Finanzgerichts rechtskräftig und der Steuermessbetragsbescheid endgültig bestandskräftig. Eine Revision zum BFH wäre nur statthaft, wenn die Verletzung von Bundesrecht gerügt wird (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Verletzung von Landesrecht lässt sich nur ausnahmsweise mit einer Revision angreifen, nämlich wenn die §§ 115–127 FGO ausdrücklich durch das Landesrecht für anwendbar erklärt werden (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 2 FGO), was im Falle der Sächsischen Grundsteuer aber nicht der Fall ist.
Rz. 79
Rügt der Kläger dagegen die Verfassungswidrigkeit der Steuermesszahlen für Grundstücke (dazu Rz. 21 ff.), bestehen zwei Möglichkeiten: Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG durch die Steuermesszahlen für Grundstücke kann vor dem BFH mit der Revision gerügt werden, weil insoweit die Verletzung von Bundesrecht (= Art. 3 Abs. 1 GG) gerügt wird (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Ist dann der BFH von der Verfassungswidrigkeit der sächsischen Steuermesszahlen für Grundstücke überzeugt, hat er das Verfahren auszusetzen und die Frage dem BVerfG zur konkreten Normenkontrolle vorzulegen (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG, § 13 Nr. 11, §§ 80–82a BVerfGG). Weist der BFH die Revision dagegen zurück, ist der Rechtsweg erschöpft (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) und eine Verfassungsbeschwerde zum BVerfG (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) ist möglich. Tauglicher Beschwerdegegenstand sind dann neben dem Gesetz (Sächsische Grundsteuer) auch die gerichtlichen Entscheidungen. Die für die Zulässigkeit notwendige Beschwerdebefugnis (hier: Möglichkeit einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG) ist zu bejahen, weil als potenzielle Rechtsfolge des Verstoßes die nicht gänzlich unwahrscheinliche Möglichkeit in Betracht kommt, dass die Grundsteuerbelastung geringer sein wird, wenn der Gesetzgeber als Reaktion auf die Verfassungswidrigkeit verfassungskonforme Steuermesszahlen zugrunde legen muss (vgl. Rz. 77).
Rz. ...